Schlimm genug, dass man sich als Arzt inzwischen dafür rechtfertigen muss, dass man Menschen behandelt, sogar solche mit Covid-19, weil eine kleine Minderheit der Überzeugung ist, es handelt sich nicht um eine Krankheit, sondern eine Erfindung von einem großen Verschwörungsring. Schlimmer ist jedoch, dass offenbar ein paar dieser Trolle tatsächlich im medizinischen Bereich oder in Versorgungseinheiten für Gesundheitseinrichtungen arbeiten. Der Feind im eigenen Haus sozusagen. Und sie haben offenbar Zeit, neben der versuchten Erstürmung unseres Parlamentsgebäudes auch noch Kommentare in Blogs abzulassen.
Wie verhalten die sich auf Arbeit? Machen die alles, was Patienten und Mitarbeiter schützt? Oder sabotieren sie Hygienemassnahmen? Provozieren sie damit Infektionsketten? Sind sie loyal zu ihren Arbeitgebern oder zu ihrer wie auch immer gearteten Überzeugung? Wie gehen Arbeitgeber damit um?
Super geschriebener und informativer Artikel :-). Eine sehr gute Aufstellung. In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen
Hallo auch aus Hessen. Was dieses Thema angeht hab ich in diesen doch wirklich komischen Zeiten auch so meine Erfahrungen gemacht die ich hier gerne teilen möchte. Kurz zu meiner Person: Ich bin hauptsächlich Anästhesiepfleger und arbeite jetzt seit knapp zwei Jahren in der Zeitarbeit. Sprich ich komme viel rum und erlebe viele Häuser wo ich als Betäuber meinen Job erledige. Vorher war ich an einem Maximalversorger wo ich mehrere Jahre in der Anästhesie und davor (leider) auch zwei Jahre auf Intensiv gearbeitet habe. Im April rief mich mein Chef an und fragte mich im ersten Lockdown ob ich bereit wäre auf Intensiv zu arbeiten. Was ich natürlich auch getan habe. Dort war ich dann an einer Frankfurter Klinik und machte dann Bekanntschaft mit Pfleger Aluhut. Dieser erzählte mir von seinen wahnvorstellungsähnlichen Weltanschauung wie Bill Gates, einem Komplott gegen alle , Pizza Gate Affäre und das Trump uns alle retten wird. Selten so viel Schwachsinn auf einmal gehört. Er berief sich auf irgendwelche dubiosen Internetseiten und wollte mir schlussendlich weismachen das es Corona gar nicht gibt und es lediglich eine Erfindung sei um die Menschheit zu unterdrücken. Dieser Typ wiegelte die gesamte Belegschaft auf ist schlussendlich dann auch woanders hin versetzt worden. In dieser Zeit traf ich noch einen anderen Kollegen der ernsthaft meinte es sei witzig Verschwörungstheorien zu verbreiten und ihm würde das einen Heiden Spaß machen. Im ersten Lockdown hatte ich lediglich einen gesicherten Fall, einige Verdachtsfälle (wo ich stellenweise ohne ausreichende Schutzausrüstung reinmusste) und im August kam ich dann zurück in die Anästhesie und konnte an einem kleinen Wald und Wiesenkrankenhaus wieder das Sandmännchen spielen. Seit Montag bin ich bei einem Maximalversorger auf der Covid-Intensiv. Ich bin gestern morgen aus der Nacht gekommen. Ich habe pro Nacht 3 bis 4 Patienten gehabt. Die meisten davon beatmet und sehr schlecht dran. Meine Kolleginnen und Kollegen und ich sind die Nächte durchgebrannt. Es waren typische Nächte wo man froh war das man am nächsten Morgen seine Patienten lebendig übergeben konnte. Aber Corona gibt es nicht…. is klar.
Ich bin selbst keiner der sich so schnell die Butter vom Brot nehmen lässt und Ich halte eine Menge Scheiss aus aber gerade fällt es mir echt immer schwieriger mich zu motivieren. Da hechtet man von Zimmer zu Zimmer, macht alles irgendwie möglich was eigentlich nicht möglich ist und wächst jede verdammte Schicht aufs neue über sich hinaus und zu Hause bei Rewe hört man dann Sprüche wie : Corona ist erfunden und man wäre ein Schlafschaaf. Das ich mittlerweile 12 Stunden Tage habe , kaum noch esse, meinen Hobbys nicht mehr nachgehen kann und meine Freunde kaum noch sehe und die meiste Zeit nur noch mit arbeiten verbringe juckt dort auch keinen da wir von der Pflege ja ohnehin im Meckern ganz groß sind und es ja doch gar nicht so schlimm ist. Ich habe heute Nacht zum ersten mal seit ner Woche mal wieder eine Nacht mit meiner Freundin verbracht. Sie ist Rettungsdienstlerin und muss heute wieder raus. Bei meinen Eltern kann ich mich erstmal nicht blicken lassen da dort ein Familienmitglied lebt was an Krebs erkrankt ist. Möglicherweise ist es ihr letztes Weihnachten. Was ich damit sagen will: Ich bin da um meinen Job zu erledigen und das tue ich auch weiterhin aber durch all diese Umstände und die Tatsache wie am Halloween-Wochenende wo ich abends nach Hause kam und im Haus schräg gegenüber mehr als 30 Leute eine Party gefeiert haben ohne Abstand und ,,Maulkorb“ (Wie es manche nicht mitwirkenden nennen) frage ich mich schon ernsthaft wofür ich das alles mache. Es ist schwer sich motiviert zu halten und ich merke wie ich an meine Grenzen komme. Das wollte ich nur mal loswerden. Ich habe doe Hoffnung das es im April besser wird und dann werde ich erstmal ein paar Wochen Pause machen, auf mein Motorrad steigen und durchs Land ziehen.
Lieber Joe,
egal wo du jetzt bist, du bist nicht allein. Keiner von euch da draußen auf den Intensivstationen ist allein, auch wenn es sich so anfühlt. Wir sind da, die Ärzte, Pfleger, Patienten und Angehörigen, die wissen, wie Sch… dieser Job derzeit ist und die wissen, es gesehen haben, dass es dieses Virus gibt. Wir sind der Meinung, dass all diese Covidioten, Aluhütchenspieler, Coronaleugner und Verschwörungstheoretiker bestraft werden müssten, da sie fahrlässige Körperverletzung ggf. sogar mit Todesfolge begehen und gegen das Solidarprinzip der GKV verstoßen. Wenn es nach Meinung der „Normalen“ geht, dann steht schlicht die Forderung, dass diese Menschen kein Anrecht auf eine Behandlung haben, jedenfalls nicht auf Kosten der GKV und bei Bettenknappheit auch nicht auf ein Klinikbett. Denn gehen wir mal der Annahme nach, dass es Coronaviren nicht gibt, dann dürfte ja auch zu keinem Zeitpunkt die Notwendigkeit dafür bestehen.
Leider ist die Wahrscheinlichkeit, dass es den Weihnachtsmann gibt, höher als die Wahrscheinlichkeit dass Menschen Vernunft annehmen und Vorsichtsmaßnahmen wie Mundschutz und Abstand immer beim ganz normalen einkaufen bei Lidl oder Aldi einhalten. Sie ziehen die persönliche Bequemlichkeit vor in der Hoffnung, wenn sie es bekommen nur asymptomatisch zu sein, weil es für die Psyche so die einfachste und am wenigsten Angst machende Szenerie ist, und man sein Leben nicht groß ändern muss. Hätten unsere Großeltern das im Krieg oder der Nachkriegszeit auch gemacht, gäbe es viele von uns heute nicht… hätten sie gesagt, ich glaube nicht an den Krieg, der ist doch nur erfunden, um uns zu manipulieren, ich bleib im Haus bei Fliegeralarmen, dann wären wir heute schlicht nicht existent.
Es gab mal Bücher namens Darwin Award, vielleicht erinnern sich einige. Eine Autorin einer amerikanischen Uni sammelte Todesfälle und schwere Verletzungen durch- Entschuldigung – Doofheit, Leichtsinn und Ähnliches. Würde sie jetzt sammeln, ich glaube, sie müsste Tag und Nacht arbeiten.
Ich weiß nicht, was man sich gegenseitig wünschen sollte dieses Jahr, vielleicht „Frohe Weihnachten, einen guten Rutsch ins Neue Jahr und Vernunft für die Menschen in diesem Land“.