Adventszeit

22 12 2007

Die Adventszeit ist fast auf ihrem Höhepunkt angelangt. Ich habe viel durchgemacht, aber das tue ich jedes Jahr. Die Anlässe sind jedes Mal verschieden. Dieses Jahr hatte ich mich für eine wunderschöne Erkältung inklusive ausgeprägter Sinusitis entschieden, von denen ich auch nach 3 Wochen noch immer unterhalten werde. Es soll jetzt nicht heißen, dass 70h-Wochen, Streß, Dienste und der ganze Zickenterror in der Klinik für eine reduzierte Abwehrlage verantwortlich sind. Nein, dafür habe ich noch nicht die passende Studie gefunden. 

Ich bin immer noch echt platt wie ne Flunder. So lang wie der Dezember ist, schleppe ich mich jetzt auch damit herum. Das ist neuer Rekord für mich. Ich habe auch noch nie soviele Taschentücher gebraucht. Ich zähle nicht die Taschentücher sondern die Pakete. Es ist unglaublich, wieviel… Sekret… von so einer Nase produziert werden kann. Und vor allem: 3 Wochen lang schon. Ich meine 3 Wochen… wie geht sowas? Ich wußte nicht, dass eine Sinusitis so fett und schmerzhaft sein kann. Ich bin fast verzweifelt, weil ich tagelang keine Besserung bemerkte sondern eher Verschlechterung. Mein Immunsystem scheint sich für einen Urlaub entschieden zu haben, nur leider hat es mir nicht gesagt, wo es hingefahren ist.

Ich habe es dieses Jahr nicht ein einziges Mal auf den Weihnachtsmarkt geschafft. Krank oder Dienst gehabt. Dienst gemacht, umgefallen, krank für ein paar Tage, wieder Dienste und Arbeiten trotz kranksein, wieder übers Limit gegangen, alles noch schlimmer (ha, wen wunderts?), krankgeschrieben. Es ist so: Wenn Dienst ansteht, hat man nicht krank zu sein. Wir sind schließlich mit Erwerb der Approbation Maschinen, die zu funktionieren haben. Außerdem ist man ein Weichei, Warmduscher, Vorwärtseinparker, Verräter, Saftsack,… wenn man sich krankschreiben lässt, weil man krank ist. Zumindest in den Augen der Leute, mit denen ich zusammenarbeite. In meinen nicht. Aber nicht nur in dem Punkt denke ich anders als die Leute in der Abteilung wo ich gerade bin. Ich halte ja auch was von Toleranz, friedlichem Miteinander, Kollegialität und Achtung vor dem anderen. Wenn es den Online-Versand nicht gäbe, hätte ich gar keine Weihnachtsgeschenke. Könnte mir eigentlich auch egal sein, ich hör ja sowieso nur die Hälfte (Gemecker sowieso nicht 🙂 ), weil meine Ohren immer noch total verstopft sind.

Was meine nervtötenden Nachbarn angeht: Auch in diesem Falle ist ein Tubenkatarrh eine Wohltat gegen otoakustische Emissionen dieser Terroristen von unten drunter. Der Bengel hat inzwischen gelernt, wie man jede Weisung der Mutter ignoriert. Er benimmt sich wie sein Vater, nur in klein. Ich sehe / höre also derzeit einen künftigen Frauenschläger heranwachsen. Die Mutter schreit nur noch herum, wenn der Kleine nicht macht, was er soll. Der macht sich wiederum einen Spaß drauß wenn sie keift und bölkt. Neulich morgens hatte ich das zweifelhafte Vergnügen im Fahrstuhl mit dem Jungen und der Mutter runterzufahren. Diese kleine Göre hatte das erstmal drauf, alle Knöpfe auf einmal zu drücken, obwohl er mit seinen 4,5 Jahren weiß, dass man das nicht tut. Mutter schimpfte, er lachte. Ich sagte, es reicht. Es ist nicht so, dass ich Kinder nicht leiden kann. Ich hatte sogar eine Weile Mitleid mit dem Kleinen. Für seine Eltern kann schließlich keiner was. Aber seine letzten Sympathiepunkte hatte er an diesem Morgen verspielt. Bei Dr. House gibt es eine Folge, wo er einem Kind nacheinander Auto, Polizist und Feuerwehrmann aus der Nase zieht. Da dreht es sich eigentlich um einen schwulen Mafioso. Jedenfalls taucht der Bruder bei House im Ambulanzdienst auf, als House gerade diesem Kind in der Nase bohrt und es rumschreit. Der Mafioso sagt „Stopppp!“ und das Kind erstarrt. Genauso hätte ich diesen Nachbarsbengel am liebsten angefaucht, aber was tut man nicht der Höflichkeit wegen… Heute morgen schreckte ich aus meinem Schnupfenschlaf hoch und durch meine verstopften Ohren dachte ich, es schreit mich jemand an. Ich beruhigte mich recht schnell, da ich begriff, dass niemand neben meinem Bett steht und mich anbrüllt, sondern dass unten drunter war. Sie keifte, der Junge schrie zurück (früher weinte er nur, inzwischen schreit er), sie keifte wieder, er schrie… „Du bist jetzt 4 Jahre alt, du müsstest… “ (Tubenkatarrh) „Wenn du nicht… “ (Tubenkatarrh) „… dann rufe ich Oma und Opa an und sage, dass du heute nachmittag nicht mitkommst. Dann bleibst du hier.“ „… ich will aber…“ „Nein, lass das!“… Ich weiß nicht genau, worum es eigentlich ging. Ob es das Trillerpfeifenkonzert von eine Stunde vorher war, dass mich bereits vorher einmal weckte. Der Junge hat inzwischen die Konfliktlösungsstrategien seiner Eltern übernommen, die eigentlich keine sind. Man muss nur in Medizinische Psychologie und Kinderneuropsychiatrie etwas aufpassen und dann kapiert man, was da unten abläuft. Spätestens mit 8 Jahren wird er kleine Katzen quälen, mit 10 Jahren wird er seine Mutter auch schlagen, mit 11 Drogendealer, mit 12 Autoklauer und mit 14 endlich eingesperrt. Als die zu Ostern einzogen, war der kleine fröhlich, aufgeweckt, hat immer gesungen,… jetzt ist er auf dem Weg zu einem Problemkind für die Supernanny. Das sind doch Aussichten.

Der Dezember ist auch die Zeit, um Leute zu treffen, die man lange nicht gesehen hat. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, von dem Mann, in den man mal verliebt war – und so doof war, es ihm zu sagen, sich eine Abfuhr einzuholen, damit er Wochen später wieder anfängt herumzuflirten – die Freundin offiziell vorgestellt zu bekommen, die auf einmal auftauchte, als man dachte, der andere will was von einem selbst. Ein Moment, vor dem ich immer etwas Beklemmungen hatte. Wohl nicht nur ich. Es kam zu einer Polarisierung intrapersonell in meiner Psyche. Einerseits dachte ich: Ok, sie ist älter, sie hat mehr Falten und sie wirkt irgendwie sehr einfach, ihr Händedruck ist so lasch, als hätte man einen toten Fisch in der Hand und ich hab mich amüsiert, weil Frauen sich halt amüsieren, wenn sie feststellen, dass sie wohlmöglich besser aussehen als jemand anderes, den sie für überlegen gehalten haben. Andererseits war da aber auch Verwunderung, Nicht-Verstehen und Erstaunen, dass man jemanden so falsch eingeschätzt hat (wobei da noch einige andere Facts eine Rolle spielten) und dass diese Frau mit einem selbst doch gewisse Ähnlichkeiten hat, auch wenn einem das so auf den ersten Blick vielleicht nicht auffällt. Gott sei Dank sind wir alle erwachsen, mehr oder weniger über Dinge aus der Vergangenheit hinweg und können friedlich miteinander umgehen. Die menschliche Psyche wird mir aber mit jedem Jahr, das ich älter werde, immer rätselhafter.

Die Adventszeit ist auch die Zeit der Wünsche. Von meinem Wunsch einer Nintendo Wii bin ich erstmal abgerückt. Ich weiß nicht, wo ich sie hinstellen soll und mein Fernsehbildschirm ist wohl auch für den wirklichen Spielgenuss etwas zu klein. Dafür wünsche ich mir das neueste Buch von David Baldacci „Die Wächter“ und ich weiß, dass ich artig war und es somit auch bekomme 🙂 Kleiner Tip: RTL ist ziemlich hinter dem Mond. Die stellen  momentan das vorige Buch von Baldacci „Spiel der Stunden“ (engl. Hour Game) als Buchtip vor… man, ob die irgendwann man im Jetzt ankommen? Das sollten doch sogar die Redakteure von dort rauskriegen…

In diesem Sinne Euch allen einen schönen 4. Advent. Packt allmählich die Geschenke ein, futtert nicht so viele Plätzchen,  seid nett zu euren Mitmenschen (außer es sind die Nachbarn von unten drunter) und falls es jemanden gibt, den ihr ganz besonders mögt und dem ihr das noch nicht gesagt habt, dann wäre diese schöne romantische Dezemberstimmung mit Raureif auf den Bäumen doch endlich mal die Gelegenheit, oder? Ihr müsst ja nicht unbedingt zu Bauer sucht Frau gehen… 😉





„Du bist faul…“ – Eine neue Folge der Blog-Soap „Meine Nachbarn – Deine Nachbarn“

2 11 2007

Reformationstag. Der Tag, an dem einst Martin Luther die Thesen an die Kirchentür in Wittenberg hängte. Der Vorabend von Allerheiligen. Der Beginn der Reformation und Mit-Ursache / -Auslöser für den 30jährigen Krieg.
Reformationstag. Ca 12.30 Uhr. Stille, die jäh unterbrochen wird. Türen fliegen, Stimmen überschlagen sich. Können die da unten nicht mal langsamer und deutlicher schreien, man kriegt ja überhaupt nix mit hier oben…

„…Du bist so faul!… […]…Wieso ist das Mittag nicht fertig?“ ca 90 db

Sie war vorher mit dem Kind zu den Großeltern gegangen, irgendwas hinbringen, hab ich gesehen.

„[…] Sieh zu, dass das Kind was zu essen kriegt und kümmer dich mal anständig![…]“ ca 100 db

„[…] Du könntest ja auch mal mit dem Jungen auf den Spielplatz gehen! […]“ ca 90 db

„[…] Du alte faule Schlampe! Du bist schuld, dass * tot ist! […]“

„[..] Hör endlich auf, dem Jungen zu sagen, dass ich * umgebracht habe! […]“

„[…] Wieso kümmerst du dich eigentlich nicht auch mal um das Kind? Wieso muss ich immer alles machen? Kochen, saubermachen, alles! […]“

„Mama hat recht.“

Weitere offensive Fragen von ihr, die ich nicht genau verstehe, defensive Antworten von ihm, die ich auch nicht verstehe.

Rumms… knall…polter… klatsch (Keine Beweise… wo kein Kläger, da kein Beklagter… Ich hasse Männer, die ihre Frauen schlagen und ich wünschte, er täte es mal öffentlich, dann würde ich ein kleines diskretes Handy-Bild machen und ans Schwarze Brett neben die Hausmitteilungen hängen. Sadistischer Macho.)

1 Minute später. Klappernde Küchentür.

„[…] Bist du nicht bald fertig? […]“

„Es gibt Stampfkartoffeln!!!!“ ca 120 db … wußte gar nicht, dass die so laut gemacht werden…

„Das ist doch kein richtiges Essen. […]“ ca 100 db Irgendwas, was sich beim Aufprall anhört wie ein Kochtopf, fliegt durch die Luft und landet an der Wand.

[…] Raus hier. Lass mich in Ruhe und geh mir nicht auf den Keks!“

Kinderstimmchen sucht zu schlichten. Poltern, Türenknallen.

2 Stunden später sieht man sie beide vereint auf dem Balkon rauchen. Luftverpester. Weitere 2 Stunden später das nächste Theaterstück. „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.“ hat meine Oma immer gesagt. Wieso hab ich immer solche Nachbarn? Dabei ist die Miete gar nicht so ohne. Der Typ hat eine Visage (nein, kein Gesicht), die sieht schon kriminell aus. War das jetzt der Beginn eines neuen 30jährigen (Rosen-)krieges, an dem alle Nachbarn teilhaben dürfen / müssen?

Heute morgen blockierte er mit seinem Anhang den Fahrstuhl. Kind rein, Kind raus, ach ist das ein schöner Spielplatz, und sie nochmal zurück zur Wohnung, ach quatsch, quatsch, laber laber, *Fahrstuhl festhalt und verhinder das die Türen zugehn, damit man nich selbst warten muss*. Ich musste zu Fuß runter, um nicht noch später los zu kommen. Genau wie einige weitere Nachbarn. Hoh, das war kurz vor einem Volksaufstand. Boah, waren wir geladen. Da stand er (der merkwürdige Nachbar) eine Etage tiefer und sah mich mit einer Mischung aus Verachtung, Boshaftigkeit, hämischem Grinsen etc. an. Nein, er hat noch nie gegrüßt, niemanden aus dem Haus. Das macht ihn so unheimlich beliebt… Wirklich ein Anlitz, bei dem man sich als friedlicher Bürger fragt, warum es da nicht die eigene Faust ins fremde Gesicht zieht. „Arschloch.“ Ich hab gehört, das ist der Morgen-Gruß unter sadistischen primatenähnlichen Provokateuren und dachte, ich red in seiner Sprache.

* Das behinderte Kind dieser Nachbarn, von dem ich in Beiträgen im Blog1-Assistenzarzt-Blog schrieb, ist leider in der Zwischenzeit unerwartet verstorben. Manchmal haben es kleine Engel im Himmel wirklich leichter.