Da dachte ich mir: Geh mal auf Reisen, es soll ja bilden. Über Menschen, Städte, Länder… Aktuelles Ziel dieses Mal: Das Ozeaneum in Stralsund.
Für alle, die es nicht wissen: Stralsund liegt in MV, rechts oben auf der Karte, gleich vor Rügen. Muss man durch, wenn man nach Rügen will. Wahlkreis von Angela M. Stralsund hat das Meeresmuseum. Berühmt, schön, seit DDR-Zeiten existent, forschend für Meeressäuger in der Ostsee. Stralsund hat seit Juli diesen Jahres auch das Ozeaneum. Quasi das Kind vom Meeresmuseum, nur etwas größer und mit Fischen der Ostsee, Nordsee und Weltmeere in riesigen Becken. Lange Schlangen vor dem Museum, lange Gesichter bei den Besuchern, die Becken waren im Sommer noch nicht mal fertig als die Urlauber kamen.
Zurück zu Assistenzarzt. Dachte natürlich schon im Sommer: Da musst du mal hin. Aber gewartet habe ich bis es hieß, die Becken sind alle fertig, alle Fischlein eingezogen. Was folgt ist ein Testbericht, nicht validiert, subjektiv gefärbt und persönliche Ansicht der Welt.
A. rollt mit Auto nach Stralsund. Wie 100% der anderen Touris auch. Sämtliche Bundesländer sind vertreten. Keine Ahnung ob schon wieder irgendwo Ferien sind oder immer noch. Die Saison wird immer länger, Ende des Sommers ist es so voll wie im Sommer selbst. Erster Eindruck: Es gibt keine Parkplätze. Einheimische Kennzeichen waren schon lange nicht mehr gesehen worden, nur auswärtige aus aller Herren Länder. Zusammen mit DO, F, B, HH, AUR, REG and whatever kurvt A. durch die Stadt in Hafennähe. In nur einem halben Kilometer Entfernung findet sich ein Stellplatz, für den A. 4 Euronen berappt. Naja, das geht noch. Parkleitsystem gibts hier nicht. Wozu auch… Is ja viel schöner die Abgase zu haben von den suchenden Autos. Zweiter Eindruck: Man schafft mit dem Ozeaneum einen Anziehungspunkt für Gäste aus dem Ostseeraum und ganz Deutschland, aber niemand hat daran gedacht, ein Parkhaus in der Nähe zu bauen. A. fand später eins am anderen Ende der Innenstadt für das „normale“ Meeresmuseum (tropische Fische etc). Für Familien mit Kindern ist das viel zu weit weg. Eh die da sind, sind die Kinder kaputt. Es wurde und wird soviel Werbung gemacht für das Ozeanum, man lockt bundesweit Publikum an, war in ARD und ZDF und überregionalen Nachrichten und bereitet sich nicht auf den selbst provozierten Ansturm vor. Es war doch klar, dass jede Menge Touristen kommen wird und in der Regel mit Auto. (Bahnhof ist viel zu weit weg! und Bahnanbindung ebenfalls nicht doll). Auch ein Vierteljahr nach der Eröffnung, in der Nachsaison, sind nicht ausreichend Parkplätze vorhanden. Wie soll das erst in der Saison werden? Da hat die Stadt Stralsund ziemlich gepennt und pennt immer noch.
A. machte sich auf den Weg in den Hafenbereich am Strelasund. Den Weg zu finden, war relativ einfach. A. folgte einfach den Menschenmassen, die alle in die gleiche Richtung strömten. Schon zu Hörsaalzeiten war der Herdentrieb ein verlässliches Mittel, das Ziel zu finden. Leider war der Weg von unzähligen Tretminen diverser Vierbeiner namens Fiffi, Bello oder Daisy gesäumt. Ich habe selten so viel Hunde-A-a in einer Stadt gesehen. Für Kinder kein optimales Feld. Außer man zieht ihnen Gummistiefel an.
Dann erblickte A. endlich den archtektonisch prämierten Bau im Hafenbereich. Naja, im Fernsehen sah er größer aus, A. hätte ihn fast übersehen. Nicht zu übersehen allerdings die Menschenmassen, die anstehen, um in das Ozeaneum zu gelangen. A.s erster Ausruf: „Das ist ja wie zu DDR-Zeiten vor dem alten Meeresmuseum!“ Die Menschenschlange mit mehreren Loops maß geschätzte 200 bis 300m. Der Wind vom Wasser war eisekalt. Wartebänke gabs nirgendswo. Es hatten 2 Kassen geöffnet. Kinder froren und quengelten. Das gegenüberliegende Bistro machte riesige Umsätze. Geschlagene 2 Stunden dauerte es, bis man seine 14 Euro für Erwachsene bzw. 9 Euro für Ermäßigte Menschlein auf den Tisch blättern durfte. Innen wars dann doch kleiner als im Fernsehen vermutet. Ganz nett, interessant, durchaus mal sehenswert. Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack bei den Eintrittspreisen. Das mit der Familienplanung muss man vorher schon überdenken… Naja, wenn man andere Ozeanische Museen kennt z.B. das in Monaco ist man natürlich kritisch. Ich habe in Monaco damals weniger als 14 Euro auf den Tisch geblättert. Aber dafür waren hier auch 2 Stunden Wartezeit im Freien mit gesunder Ostseeluft (quasi Wellness) eingeschlossen, was ich in Monaco nicht hatte. Im eisigen Winter muss es an der Stelle noch mehr Spaß machen zu warten, wo der Wind ungehindert aus nördlichen Richtungen heranpfeifen kann. Mir sind zwei Varianten eingefallen, die Wartezeiten zu umgehen. Reisegruppen aus Bussen, die angemeldet sind, kommen schnell rein. Oder man setzt Oma schon mal ab zum Anstellen und beschäftigt sich mit der Parkplatzsuche. Wenn man da endlich einen gefunden hat, hat Oma zumindest schonmal die halbe Strecke geschafft. Oder aber die dritte Variante: Die Stadt Stralsund stellt mehrere 1-Euro-Jobber ein, die auf Bestellung den Platz in der Warteschlange zur vereinbarten Zeit einnehmen und man diesen dann beim eigenen Eintreffen übernehmen kann. Fazit: Aufgrund der ewigen Wartezeiten auch nach einem Vierteljahr, die sich an Wochenenden und Ferienzeiten verstärken ist das ganze nichts für Familien zumindest mit kleineren Kindern außer man flößt denen vorher was zum schlafen ein…
Hinterher – man ist ja guter und kultivierter Tourist – wagt man dann einen Ausflug in die nahegelegene Innenstadt. Hat man die Hürden der Vierbeiner erfolgreich durchwatet, ist erschöpft, durstig und hungrig, strebt man einen Bäckerladen an, so wie A. Die Verkäuferinnen sind genervt wegen des permanent anhaltenden Besucherstroms durch die UNESCO-geschützte Innenstadt. Etwa 75% der wegen des Ozeaneums angereisten Leute an diesem von A. ausgewählten Tag drehten aufgrund der Warteschlange wieder ab und gingen stattdessen ohne Ozeaneum-Besuch in die Innenstadt. Auch hier ist man dem Ansturm nicht gewachsen. Egal in welchem Laden wir waren, die Zahl der VerkäuferInnen war zu gering. In Gastronomie-Betrieben fiel das besonders auf. Letztlich waren nicht nur die Angestellten dort tierisch genervt sondern auch die hungrigen Urlauber, die sich diesen Launen ausgesetzt sahen und doch eigentlich nur Hunger hatten und Geld ausgeben wollten. Dies merkte man insbesondere an den Gesprächen in der Fußgängerzone. Beim R.-Bäcker gabs nur noch Kaffee oder schwarzen Tee als warme Getränke, auf Nachfrage dann auch noch Pfefferminztee für 1,30 Euronen die 0,15 l- Tasse. Kakao oder Milch Fehlanzeige. Wie bitteschön soll man das mit Kindern machen, die bei der Witterung mal was warmes trinken wollen? Die Uhrzeit war noch nicht einmal sehr fortgeschritten. Wenn schon der Pfefferminz-Tee als erzwungene Alternative sein musste, dann wenigstens was mit Schokolade am Gebäck. Tja, da war sie dann, die Wärme nach der man suchte: Der Teller war warm, der Schokoüberzug des Gebäcks machte sich auf den Weg vom Gebäck auf den Teller. Hmmm, also dafür gibts keinen Bäckerstern.
Rechnen wir mal kurz nach, was eine Familie mit Kind so ausgibt:
Parkticket (preiswerte Variante) Tageskarte 4,00 Euro
Eintritt für 2 Erwachsene + 1 Kind 31,00 Euro, 2 E + 2 Kinder 34 Euro, für jedes weitere Kind 3 Euro (ansonsten 1 Erwachsener 14 Euro, 1 ermäßigtes Menschlein 8 Euro)
Essen: nochmal so 3 – 4 Euro pro Person in der preiswerten Variante.
Da is man mal mit 60 Euro für ne ganze Familie locker dabei. Aber wenigstens ist die Ostseeluft beim Anstehen draußen inklusive.
Fazit dieser Reise zum Ozeaneum in Stralsund: Das ganze ist nur was für ausdauernde Naturen, die die happigen Eintrittspreise dank Gutmütigkeit und trotz 2 Stunden Warten in eisekaltem Wind ertragen können, weil sie sich vorher auf dem Weg von einem Parkplatz zum Ozeanum schon warmgelaufen haben. In weiser Voraussicht sollte man gleich mit einem Tages-Parkticket rechnen, sonst ist die Parkzeit schon nach der Wartezeit für den Kartenkauf am Ozeaneum vorbei…
Für Familien mit Kindern war dieser Ausflug eigentlich schon fast ein „No Go“ oder „Don’t do it“ wie es in Reiseführern so schön heißt, denn die Parkplatzsituation in der Nähe des Ozeaneums ist auch ein Vierteljahr nach Eröffnung noch saumiserabel, weite Wege sind vorprogrammiert und auf denen steigt man massenweise über Hundehaufen. Die Wartezeit und die Wartebedingungen sind unzumutbar gerade für Kinder unter 12 Jahren oder ältere Personen. Der Service mit nur 2 offenen Kassen ist ein Witz. Die Läden in der Innenstadt sind wegen des (immer noch überraschenden???!) Zustroms von verhinderten Ozeanum-Besuchern überlastet und die Gastronomiebetriebe servicemäßig überfordert bzw. nicht entsprechend eingerichtet. Peinlich für eine der großen Bäcker-Ketten, wenn nicht mal warme Getränke im Angebot sind, die für Kinder geeignet sind. Es gibt bessere Alternativen für Urlaubsausflüge mit Kindern in MV, die wesentlich preiswerter sind.
Doch auch etwas positives möchte ich vermelden. Ich schlage das Ozeaneum als Marco-Polo-Geheimtipp vor für Urlauber aus westdeutschen Landen, die einmal wissen wollen wie das war zu DDR-Zeiten mit dem Schlange stehen nach allem und jedem und z.B. um ins (damals gabs ja nur das) Meeresmuseum zu kommen. So am Ende der 200m-Menschenreihe kommen echt wieder Erinnerungen auf, die man längst vergessen glaubte und man fühlt sich gleich wieder wie zuhause in der DDR.
Kleiner Gruß an die Stadt Stralsund und das Meeresmuseum: Schön, dass ihr jetzt auch ein Ozeaneum und die Rügenbrücke habt. Leider seid ihr extrem kinderunfreundlich noch bevor man die Räume des Ozeaneums betritt und leider habt ihr viel verpasst, was parallel zum Bau dieser Attraktion hätte gemacht werden müssen. Vielleicht bekommt ihr das ja bis zur nächsten Saison hin, ansonsten werden viele Leute trotz Ozeaneum einen Bogen um Stralsund machen.
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