Der Klimawandel und die Deutsche Diabetes Gesellschaft

26 05 2022

Derzeit läuft in Berlin die Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Sie vertritt die Diabetologen und interessierte Ärzte sowie über verbundene Organisationen auch Beratende Berufe und Patienten. Erstmals fand im Rahmen des Kongresses ein Forum zu Klimawandel und Diabetes statt. Ein Grund für mich, mich für diesen Vortragsblock zu entscheiden und ihm mit ca 250 anderen im Online-Livestream bzw. den Kollegen im Saal zu verfolgen. Meine Erwartung war: Infos zu Auswirkungen des Klimawandels auf die Erkrankung, die Rolle der DDG und wie man Praxen und Kliniken umweltbewusster gestalten kann.

Die Realität ist bekanntlich immer anders als man erwartet. Auch dieses Mal sollte die Regel zutreffen. Der erste Referent erschien gleich mal nicht, keiner wusste wieso. Ok. Bei den Moderatoren merkte man sofort: Es ist nicht ihr Thema, sie sind da so reingerutscht. Aber wenn einen das Leben oder die DDG an eine Aufgabe stellt, sollte man das beste draus machen. Denkt man. Der Moderator Dr. Alexander Risse hat sich die letzten Jahre viel mit Diabetischen Füßen befasst. Dieser Vortragsblock schien ihn allerdings auf dem falschen Fuß erwischt zu haben. Ich habe selten in Veranstaltungen erlebt, dass ein Moderator permanent bemüht war, entweder schlechte Witze zu machen (Humor und das Talent für das richtige Timing ist leider nicht jedem in die Wiege gelegt) oder aber das behandelte Thema schlicht ins lächerliche zu ziehen. Der Vortrag des zweiten Referenten war recht interessant. Seltsam aber die anschließende Diskussion. Man bemerkte, dass es auch für ihn offenbar noch nicht so lange ein Thema ist. Aber immerhin hat er sich als ehemaliger Präsident der DDG der Herausforderung gestellt. Doch bei der Frage einer Kollegin aus dem Chat kamen sowohl er als auch der Comedy-Moderator Dr. Risse an ihre Grenzen. Die Kollegin wollte schlicht wissen, ob es seitens der DDG schon Überlegungen gab zu den CO2-Fußabdrücken (das Wort bezog sich wohl auf einige Sätze im Vortrag zu den CO2-Fußabdrücken) des Kongresse als Live-Version, als wie dieses Mal durchgeführt Hybrid-Kongress oder reinem Online Kongress und ob es für die DDG bei künftigen Planungen eine Rolle spielen wird. Offenbar eine Frage mit viel berufspolitischem Hintergrund. Aber keine Herausforderung durch eine Frau ist für Männer am heutigen Herrentag so schwer, dass sie nicht bewältigt werden kann. Die Antwort des ehemaligen DDG-Präsidenten Dr. Siegel und des Moderators Dr. Risse kam in einem leicht abfälligen Lachen und dem Satz “Ja, die meisten Diabetologen fahren Rolltreppe auf dem Kongress.“ – Fremdschämattacken im Saal und offenbar an den Bildschirmen in Deutschland. Stärker hätte man seine Kompetenz bei dem Thema und die Bereitschaft der DDG sich mit aktuellen Themen zu befassen wohl nicht ausdrücken können.

Vielleicht sollte man den Hintergrund dazu erklären: Der Kongress hat große Sponsoren aus der Industrie. Diese sind mit einer Art Messehalle vor Ort, um an Ständen über ihre Produkte zu informieren und zu kommunizieren. Die Besucher zahlen eine Kongressgebühr, die so preiswert auch nicht ist. Sowohl vor Ort als auch online. Die Sponsoren können aber mit den Online-Teilnehmern nicht direkt ins Gespräch kommen. Ohne die Sponsoren wäre der Kongress für die Teilnehmer noch teurer. Man hatte das Gefühl, die DDG jagte jedes Jahr nach neuen Teilnehmerrekorden, vielleicht auch um für das Thema Diabetes eine politische Strahlkraft zu bekommen. Normalerweise sind etwa 6000 Teilnehmer (vor Corona) da gewesen. Jetzt bei reinen Online-Formaten oder Hybrid natürlich weniger (vor Ort, Gesamtzahl wohl identisch). Mal abgesehen von den Aspekten der Familie (Kinder, pflegende Angehörige), der Arbeit (Praxis zu, Urlaub nehmen in der Klinik) und der Zeit (Anfahrt und Abfahrt etc) ist da ja der ökologische Aspekt. Vor Corona kamen 6000 Leute mit Auto, Flugzeug oder Bahn, nutzten Hotels, Catering, die Kongresshallen hatten Rolltreppe, Klimaanlage, Sanitäranlagen etc. am Laufen, die Taxis fuhren ganztags, etc… Da ist die Frage nach einer CO2-Bilanz doch berechtigt. Immerhin stellen wir sie für Firmen, Urlaubsreisen, Kreuzfahrten, Autos und sonstwas auf. Wieso nicht auch dafür? Ich finde, der Umgang mit der o.g. Frage war absolut daneben und nicht zeitgemäß.

Den folgenden Vortrag sah man nur als Videoaufzeichnung des Referenten. Es war offenbar vergessen worden, im Vorfeld zu schauen, ob auch seine Folien überspielt wurden. Ist halt Herrentag heute… Dennoch waren die Worte des Kollegen um ein Vielfaches seriöser und zeigten ernsthafte Überlegungen, mit dem Thema Ressourcenverbrauch bei der Diabetesbehandlung umzugehen.

Die Kommentare aus dem Saal ließen mich als Zuhörer Hoffnung schöpfen. Es gibt Kollegen, die sich ernsthaft damit auseinander setzen und überlegen, wie man Verpackungsmüll reduzieren kann, Recycling verbessert oder sich trauen, der Industrie zu sagen, dass auch sie gefragt sind, an Verbesserungen zu arbeiten. Kollegen, die eben bereit sind, Dinge zu verändern, zu verbessern. Aber die saßen im Saal und schienen dem Raunen nach sichtlich enttäuscht von der Show vorne. Letztlich kam aus dem Saal von einem Verantwortlichen der DDG der Vorschlag eine Arbeitsgruppe oder ein Gremium zu gründen. Frage des Moderators Dr. Alexander Risse “Wir haben schon über 20 Arbeitsgruppen, ist das denn nötig?“ Im Saal wurde es laut, der Kollege mit dem Vorschlag entschied ja. Erstaunlich, hätte man nach der seltsamen Show nicht mehr erwartet. Daraufhin verabredeten sich -hauptsächlich männliche – Kollegen im Saal sofort nach der Sitzung die AG zu gründen. Ich frage mich, ob die Frauen, die im Chatroom ebenfalls ihr Interesse bekundeten und auch mitteilten, dass sie bereits vor einiger Zeit die Gründung erfolglos anregt hatten, jemals zum Zuge kommen werden. Kommentar von Dr. Alexander Risse “… da kommt ne schöne depressive Truppe zusammen…“ und “… machen wir was schönes katastrophales…“ und “…bei der nächsten Sitzung machen wir dann wieder etwas Weltuntergang…“ Wem an dieser Stelle die Worte fehlen, sei gesagt, dem Co-Moderator Dr. Martin Schulz ebenfalls. Sein Fremdschämen war kaum zu übersehen. Fremdschämen war in dieser Sitzung wohl eine der Hauptbeschäftigungen des Live- und des Onlinepublikums… Leider wollte ausgerechnet Dr. Risse mit in die Arbeitsgruppe. Meine Erwartungshaltung an die AG habe ich augenblicklich nach unten korrigiert. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, bin aber Realist… Und dieser verleiht Herrn Dr. Alexander Risse an dieser Stelle die Hölzernen Nüsse für sein fehlendes Bewusstsein zum Thema, seine antiquierte Haltung und das herablassende Verhalten, das möglicherweise seine Unsicherheit beim Thema überspielen sollte, sowie das Ignorieren der Kommentare der weiblichen Online-Teilnehmer, die sich zur Mitarbeit meldeten.

Es bleibt zu hoffen, dass das Engagement einzelner in der AG gebündelt werden kann und nicht durch schlechte Witze und männliche Eitelkeiten blockiert wird und für die Ärzte, Berater und die Patienten Vorschläge für einen „Green-Diabetes“ (und ich meine nicht nur Green-Washing), Verbesserungen für Abläufe in Praxen und Kliniken und medizinische Forschung zu Diabetes und Klimawandel gemacht werden.

Herrn Dr. Risse wünsche ich einen schönen Ruhestand und verbleibe mit dem Zitat “Schuster bleib bei deinen Leisten“ – in seinem Fall dem Diabetischen Fuß. Der braucht auch Engagement in den nächsten Jahren und es gibt bestimmt viele zynische Witze, die man darüber machen kann und die er noch nicht gebracht hat. Für das Thema Klimawandel gibt es genügend motivierte und verantwortungsbewußte Kollegen, die gerne mitmachen und sich schon eine Weile damit befassen. Denen wünsche ich viel Energie und bin offen für und gespannt auf Eure Vorschläge.


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