Gruß zum Frauentag 2023

7 03 2023

Liebe Leser, Liebe Kolleginnen,

Ein herzlicher Gruß zum Frauentag an Euch alle. In meinem Bundesland – das viele der langjährigen Leser längst kennen bzw. erahnen – ist der Frauentag ein Feiertag. Und dieser gibt mir die Chance zu bloggen. Ich bin von einer regelmäßigen Bloggerin zu einer selten-Bloggerin geworden, was meinen beruflichen Aufgaben geschuldet ist. Doch dieses Blog wollte ich nicht aufgeben. Der geneigte Leser kann erkennen, dass es mich bereits einen großen Teil meiner beruflichen Laufbahn begleitet. Gestartet bin ich als Assistenzarzt, derzeit unterwegs als Hausarzt. Da das Blog aber etabliert ist, gibt es für mich keinen Grund, den Namen zu wechseln oder Irritationen mit anderen bloggenden Kollegen zu erzeugen. Und für alle, die es über die Jahre noch nicht verstanden haben: Assistenzarzt ist weiblich. Da ich mich aber, dank meiner modernen Erziehung, als gleichwertig mit männlichen Kollegen betrachte, fühle ich mich bei „die Ärzte“ genauso angesprochen wie alle männlichen Kollegen. Also war es mir völlig egal, ob Assistenzarzt oder Assistenzärztin. Ganz egal dann doch nicht, denn in den online-Suchmaschinen werden Umlaute häufig benachteiligt – also wurde es der Assistenzarzt im Titel. Und nein, mich stört es nicht als Frau. Für alle gekränkten männlichen Egos kann ich psychotherapeutische Sitzungen empfehlen. Und damit kommen wir zu meinem aktuellen Anliegen: Ich warte seit Jahren darauf, dass auch in der Medizin mal das Thema MeToo und das Verhalten ärztlicher Kollegen ihren Kolleginnen gegenüber thematisiert wird. Jegliche Versuche werden immer im Keim erstickt oder scheitern, weil die Angst größer ist, als das Bedürfnis, das Problem auf den Tisch zu bringen. Der Ärztinnenbund hatte vor einiger Zeit mal eine Kampagne begonnen, aber was nützt das, wenn sich keine Ärztekammer, keine KV, keine Gewerkschaft dahinter stellt und mitmacht? Nichts. Ich habe keine Lust mehr zu Schweigen. Zu schweigen über toxische Männlichkeit, die im Stationsbetrieb ausgelebt wird. Über Sätze, die nett klingen, aber diskriminierend sind, über die Benachteiligung von Frauen in Teilzeit, wenn es um Oberarztstellen geht, über Herrenwitze an der falschen Stelle, und ja auch über übergriffige Kollegen. Wir arbeiten in einem System von Abhängigkeiten, Vorgesetzten, die auch in der Ärztekammer leitende Stellen besetzen und extrem gut vernetzt sind, von Weiterbildungsordnungen, die dafür sorgen, dass Zeugnisse immer noch vom Willen und Wohlgefallen der Weiterbildungsbefugten abhängen, Approbationsordnungen, die nicht ausschließen, dass der Ausbilder auch der Prüfer im Staatsexamen ist. All dies macht unser Ausbildungssystem vom Studium über die Facharztprüfung bis hin zu Zusatzweiterbildungen anfällig für Dinge, die keiner gerne sagt, weil sie mit Druck ausüben, Machtspielen, Dulden und Ertragen und vor allem Schweigen zu tun haben. Und so lange das so ist, so lange wird sich nichts ändern. Und so lange muss ich allen meinen Famulantinnen beibringen: Halt dich von XYZ fern, geh nicht in die Abteilung ABC wenn du es dir aussuchen kannst, lass dich niemals erpressen sondern geh einfach woanders hin, die Stellenlage lässt es endlich zu. Keine von uns hat Lust, weiter zu schweigen, aber viele können nicht reden, weil es sie die Karriere kosten würde in unserem System. Und deswegen muss sich etwas ändern.

Ich danke an dieser Stelle dem Thieme-Verlag und dem eRef-Bereich. Wie ich seit einiger Zeit feststelle, muss es eine Verlinkung zu den Facharztprüfungsfragen geben. Erstaunlich, dass ein seriöses Portal ungefragt an ein Blog verlinkt, aber das nur nebenbei. Ich gehe davon aus, dass die Hälfte der Besucher von dort weiblich ist und damit auch auf dieses Thema stößt, also mache ich mir keine Sorgen, dass ich dafür Leser:innen finde…


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