Biontech-Blockade für die Booster-Kampagne

20 11 2021

Und was sagt der Verursacher Herr Spahn? Laut dpa “Ich weiß, dass diese kurzfristige Umstellung für viele engagierte Helferinnen und Helfer vor Ort in den Arztpraxen und Impfzentren viel zusätzlichen Stress bedeutet. Und das bedauere ich ausdrücklich.“

Japp, dafür können wir uns jetzt alle was kaufen. Es hilft weder uns Hausärzten, noch den MFAs, noch den Patienten. Wir werden am Ende der Woche sehen, ob das Glück gereicht hat, dass alle Praxen unverletzt aus den Terminverschiebungen kommen. Ein Minister hat seine Bodyguards. Wir haben niemanden, der uns schützt. Wir stehen allein dort an der Anmeldung und müssen uns anschreien, anspucken, bedrohen und beschimpfen lassen und wenn dann einem die Sicherung durchbrennt und er aggressiv wird und körperlich angreift, dann kommt noch nicht mal die Polizei. Das ist unsere Erfahrung. Ich bete zu Gott, dass all unsere Patienten die Ruhe behalten und nichts passiert. In dieser Situation nützen uns auch keine Deeskalationskurse, denn solange das Anliegen unerfüllt bleibt, wird seine Aggression nicht verschwinden.

Also hofft alle mit uns, dass wir unverletzt bleiben und behaltet bitte die Ruhe. Der Schuldige sitzt in Berlin und nicht hinter dem Tresen Eurer Hausarztpraxis.





Spahn‘s Biontech-Blockade – ein möglicher Hintergrund

20 11 2021

Wenn man sich als Hausarzt fragt, was Spahn‘s letzte Rache an uns Hausärzten für einen Hintergrund hat, kommen verschiedene Ideen, die in die Gesprächsrunde geworfen werden: “Er hasst uns doch sowieso, hat er schon immer getan…“ oder “Der denkt eh nicht nach…“ oder “Hauptsache sein Maskendeal steht, wer weiß…“ und noch mehr Vorschläge. Als Hausarzt googelt man dann schnell nach den Lieferprognosen der Bundesregierung. Und siehe da… man kommt der Sache ein Stück näher…

Und während uns als Hausärzten alle Planungen bis Jahresende geschrottet werden, gehen etwa 8,7 Mio Dosen Biontech, also alle November-Lieferungen in die Covax-Initiative. Ich nehme mal an, wenn das publik wird, wird dieses Ansinnen in der Bevölkerung nicht besonders beliebt sein. Wir haben etwa 50 Millionen Menschen mit Biontech erst- und zweitgeimpft. Die Deutschen haben Vertrauen in den Impfstoff, er wird in Europa produziert und wurde hier entwickelt. Mehr kann man sich doch angesichts der Probleme mit dem Image der Vektorimpfstoffe in Deutschland eigentlich gar nicht wünschen. Dieses Vertrauen, das ein Patient darin hat, gibt er mündlich an seine Umgebung weiter. Das könnte uns helfen, die Impfquote insgesamt zu steigern. In unserer Praxis stellen wir jeden Tag fest, dass die Menschen gerne wieder mit dem gleichen Impfstoff geimpft werden wollen, den sie beim ersten Mal hatten – abgesehen von den Vektorimpfstoffen. Genau deswegen, weil wir ihnen sagen konnten, ja Sie bekommen Biontech bei uns, haben die sich erst angemeldet für die Boosterimpfung. Das ist eines der Argumente, mit denen wir hätten jetzt den Impfturbo tatsächlich zünden können. Wer möchte, dass Menschen sich impfen lassen, muss sie als Menschen betrachten, nicht als Objekt, das in Zahlen ausgedrückt wird. Genau da werfe ich Herrn Spahn als gelernten Kaufmann vor, dass er so denkt. Und so hat er die ganze Zeit seine Kommunikation ausgerichtet, von Anfang an. Aber wir kaufen bei ihm keinen Bausparvertrag! Das muss er mal irgendwann verstehen. Zum Ende seiner Amtszeit scheint er wie ein kleiner beleidigter Junge zu agieren, den man nicht mehr weiterspielen lässt, jedenfalls wenn man seine Reaktionen im Oktober und diesen Quatsch jetzt betrachtet. Allein in meiner Praxis sind es bisher (!) etwa 250 Termine und weitere freie Blöcke zum Terminieren, die wir absagen können bzw. wo wir jeden einzelnen jetzt fragen müssen, ob das ok wäre, wenn er Moderna bekommt. In der Realität einer Hausarztpraxis heißt dass, dass wir nicht täglich kleine Blöcke nebenbei impfen können mit 6 oder 12 Patienten und zweimal die Woche größere Aktionen an den Sprechstundenfreien Nachmittagen, sondern dass wir jetzt immer 20 Patienten nacheinander impfen müssen. Dafür reicht unser Wartezimmer gar nicht und die Kapazität unserer Mitarbeiter auch nicht. Ich schätze, dass man vielleicht pro Termin 10 Leute zusammen bekommen wird, die Moderna nehmen, die anderen werden beleidigt gehen und entweder auf einen neuen Termin warten (was die Impfkampagne verzögert) oder sich gar nicht mehr boostern lassen (was fatal wäre). Es sind Menschen, die Diskussion läuft seit Monaten auf einer emotionalen Ebene, also was erwartet dieser Herr Spahn? Naja, unterm Strich werden dann die im Februar verfallenden Impfdosen nicht zentral entsorgt, sondern einzeln in den Hausarztpraxen im Land. Dafür soviel Aufwand…

Mal ehrlich: Wäre es nicht wesentlich sinnvoller gewesen, die 8,7 Mio Dosen Biontech in die Arztpraxen zu geben und in die Impfzentren, damit hätten wir knapp 1/3 des Ziels erreicht. Und die Nachlieferungen der Moderna-Dosen, die im November kamen, die hätte man doch an Covax geben können, das wären sogar 10 Mio gewesen. Wir hätten logistisch die Hausärzte entlasten können, in dem man sagt: Biontech für die Praxen, Moderna für die Impfzentren und die Menschen hätten sich von ganz allein aufgeteilt, je nachdem was sie wollen bzw. auch wenn es ihnen egal wäre, welchen Impfstoff sie beim Boostern erhalten.

Auf die Studien mit den Antikörper-Titern schaut primär erstmal keiner. Natürlich sind die mRNA Impfstoffe austauschbar und das überkreuzte Impfen kein Problem, gibt ungefähr die gleiche Antwort, manchmal mit Überkreuzen sogar besser. Aber wir sprechen hier von emotionalen Entscheidungen der Bevölkerung in einer angespannten, teilweise aufgeheizten Situation. DA MUSS MAN MAL DENKEN BEVOR MAN SO EINEN VERDAMMTEN BOCKMIST ANRICHTET und die ohnehin überlasteten Hausarztpraxen an den Rand des Wahnsinns treibt. Immerhin haben wir bis zu dieser Woche immer 2 Wochen im Voraus planen müssen, das heißt, die Termine für die Impfungen stehen dann längst. Das einzige, was Herr Spahn damit anrichtet, ist dass uns die MFAs scharenweise weglaufen, weil sie das nicht mehr ertragen, dass Hausarztpraxen konsequent auf Boostern verzichten, um einfach mal wieder halbwegs normal zu arbeiten und dass die Bevölkerung nicht bis Jahresende zum großen Teil die Boosterimpfung hat, sondern wir zum Beispiel für unsere 250 Patienten mit Termin nicht 2 Wochen brauchen sondern 8 Wochen. Gratulation, so geht man als Minister und hinterlässt verbrannte Erde. Egal wer kommt, es möge irgendwie besser werden…





Spahn zerstört Impf-Turbo

19 11 2021

Während wir Hausärzte deutschlandweit dieser Tage pro Praxis hunderte Termine für Booster-Impfungen machen und eigentlich froh waren, dass in all dem Chaos, der politischen Schwebesituation und der explodierenden vierten Welle wenigstens eins sicher schien: dass wir genügend Impfstoff bekommen und zwar den, den wir haben wollen, fällt mit einem Satz alles in sich zusammen. Der Impf-Turbo ist heute nachmittag gestorben. Wir dachten, es wäre jetzt endlich alles normaler und einfacher geworden. Denn es lagern – so wurde zumindest gesagt und gezählt – Millionen Dosen in den Lagern, Biontech und Moderna. Bis heute am späten Nachmittag. Da ließ der scheidende Gesundheitsminister eine Bombe platzen: Die – von ihm vor kurzem als viel zu langsam beim Impfen titulierten – Hausärzte bekommen pro Woche ab sofort nur noch 30 Dosen Biontech, pro Impfzentrum gibt es nur noch 1020 Dosen. Bumm. Stille…

Begründung für diese Festlegung: Es lagern etliche Dosen Moderna, die im Februar ablaufen. Und die sollen raus. Deswegen sollen die doofen Hausärzte, die jetzt schon bis Jahresende die Terminbücher mit Auffrischungen zugeplant haben (immerhin, wir sind zwar lahm Herr Spahn, aber nicht unfähig den Abstand von 6 Monaten auszurechnen), ihre Planungen komplett ändern. Statt 6er-Blöcken Biontech, dann 20er Blöcke Moderna. Und das wo die Patienten bei Terminvergabe gesagt bekommen wollen und haben, was wir impfen: Biontech.

Was sind die Konsequenzen aus dieser Spahnschen Verbalentleerung? Die Hausärzte werden etliche Absagen bekommen, von Patienten, die Biontech wollten, weil sie es die ersten beiden Male hatten, und das waren in der Regel die meisten, die wir geimpft haben und anteilig an der Gesamtmenge der geimpften auch die größte Zahl. Zweitens werden die Hausarztpraxen umgehend die Terminvergabe stoppen, wenn sie wie meine Praxis das drei- bis vierfache pro Woche verimpfen wollten und dafür extra Termine verschoben haben und die komplette Praxislogistik danach ausrichten, diese Aufgabe zusätzlich zu schaffen. Das wird was zur Folge haben? – Genau: verbale und körperliche Gewalt in Arztpraxen gegen Ärzte und vor allem die MFAs. Das geht auf Ihre Kappe Herr Spahn! Unsere MFAs haben seit Beginn der Pandemie großartiges geleistet, haben 50% der Pandemie gestemmt mit uns, denn die meisten Patienten werden ambulant behandelt und die Test- und Impflogistik liegt auf unseren Schultern. Und was tun Sie? Neben viel Nichts, noch mehr Chaos, richten Sie jetzt an, dass man uns attackieren wird. In MV hat das Landesgesundheitsamt einen Brief an alle über 70jährigen rausgeschickt, dass sie sich in den Praxen melden sollen, um einen Impftermin zu vereinbaren. Und ja, die Menschen kommen. Sie müssen ja auch zu uns kommen, weil die Impfzentren auf Minimum fahren, bei uns zum Beispiel nur halbtags – das macht vier Stunden Wartezeit für eine Impfung. Wir haben in unserer Praxis die Kapazitäten massiv hochgefahren. Ach ja – übrigens auch heute vormittag nochmal dutzende Termine geschaffen, die vergeben werden sollen. Denn gestern Abend sagte unsere Noch-Kanzlerin mit den anderen Herrschaften live im TV, dass wir eine nationale Kraftanstrengung vollbringen sollen und bis Jahresende 30 Millionen Menschen geimpft werden sollen mit der Booster-Impfung und dass wir Hausärzte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Und heute, keine 24 Stunden später kommen Sie und spucken uns bildlich gesprochen mitten ins Gesicht. Danke. Ich kann nicht sagen, dass ich bedauere, dass Sie demnächst etwas mehr Freizeit haben. Aber die könnten Sie sinnvoll nutzen: Kommen Sie in eine Hausarztpraxis in MV und erklären mir zum Beispiel mal, wie ich jetzt von all den Biontech-Willigen, die die erste und zweite Impfung mit Biontech erhalten haben und auch die Auffrischung gerne damit bekommen möchten (sie sind freiwillig gekommen ohne dass Sie eine riesige Bettel-Impf-dich-doch-Kampagne starten mussten), weil sie es vertragen haben und dem Impfstoff vertrauen – ja wie ich denen erklären soll, dass jetzt von über 70 Terminen in der Woche mehr als die Hälfte wegfällt? Soll ich jetzt auslosen, wer geboostert wird und besseren Schutz gegen Delta hat? Und nein, ich rede tatsächlich nur von Menschen aus der zuerst aufgerufenen Zielgruppe ab 70 bzw. Immunsupprimierte etc. Davon haben wir hier in MV reichlich.

Hat Herrn Spahn eigentlich mal jemand gesagt, wie völlig unfähig seine Kommunikation ist? Es ist doch logisch, was jetzt passieren wird, wenn es heißt, nein kein Biontech mehr für Hausarztpraxen bzw. begrenzte Minimalmengen. Dafür muss endlich das Moderna weg, das verfällt demnächst… die Menschen in diesem Land werden denken, Sie Herr Spahn wollen ihnen die Joghurt- Reste aus der Kurz-Vor-Ablauf-Truhe im Aldi verkaufen und damit einen guten Impfstoff im Ruf “ermorden“. Ich hoffe sehr, dass der Hersteller von Moderna es sehr schnell merkt und mit einer Image-Kampagne gegensteuert und was mich noch mehr freuen würde, wenn er Sie dafür in finanzielle Verpflichtung nehmen würde. Vielleicht denken Sie dann mal nach BEVOR Sie etwas sagen. Es hat sich oftmals als sehr nützlich erwiesen, wenn man an so entscheidenden Positionen sitzt wie ein Minister…

Also ab heute Verwirrung bei den Menschen, Angst sie werden nicht geimpft, in der Folge Aggression und Kampf um den Impftermin mit dem gewünschten Impfstoff und ab Montag Chaos in den Praxen, weil niemand weiß, ob und wieviel Impfstoff kommt, reihenweise Terminverschiebungen, extrem mehr Aufwand für das Personal (die Zeit könnten wir besser mit Impfen verbringen) und Vergabestopp bei den Impfterminen.

Fazit: Die gestern verkündete Beschleunigung der Booster-Impfkampagne ist nach nicht einmal 24h gestorben. Wir haben so definitiv keine Chance, es zu schaffen, bis Jahresende 30 Millionen Menschen zu boostern, um die vierte Welle abzuschwächen. Es wird vermeidbare Tote geben, für die ich Herrn Spahn verantwortlich mache und fordere, dass umgehend geprüft wird, ob und wie diese Entscheidung gestoppt werden kann und ob sich Herr Spahn damit aufmacht, juristisch und politisch verantwortlich für die ungeboosterten Toten zu sein, die noch folgen werden. Die Entscheidung wird zudem zu massiver Aggression gegen Hausarztpraxen und deren Mitarbeitern führen, was angesichts des Hausärztemangels und des Mangels an MFA in vielen Regionen fatal sein dürfte. Am Ende werden immer weniger Praxen impfen…

Was können wir als Ärzte tun?

Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Ich fordere dazu auf, dass wir Praxen miteinander kooperieren. Da jeder Praxis 30 Dosen Biontech pro Woche zur Verfügung stehen sollen, wäre eine Lösung, dass wirklich jede Praxis diese 30 Dosen Biontech bestellt, auch Psychiater, Dermatologen usw. selbst wenn sie nicht selbst impfen. Die Dosen, die nicht verbraucht werden, dürfen seit einigen Monaten an andere Praxen weitergereicht werden. Also sollten die Kollegen, die nicht selbst impfen, mit impfenden Praxen kooperieren, die 30 Dosen Biontech bestellen und weiterreichen. Es hilft impfenden Praxen, die Termine aufrecht zu halten ohne dass viel umändert werden muss und so kann weiter möglichst schnell geimpft werden.

Eine Idee des Protests wäre es, konsequent deutschlandweit eine Woche Impfstreik zu machen… ich glaube, das könnte politisch ein Erdbeben auslösen. Aber helfen wir damit den Patienten wirklich? Die Medaille hat zwei Seiten… Vielleicht wäre ein Protest, dass wir unseren Patienten vorgefertigte Protestschreiben ausgeben, die sie an Herrn Spahn schicken, dann hat er noch was zu lesen, bevor er geht… also Kistenweise bis im BMG kein Flur mehr ohne gelbe Postkisten steht… Eine Online-Petition vielleicht? Aber was nützt es, wenn wir Hausärzte alleine kämpfen? Es braucht unsere Patienten, die auf unserer Seite stehen, statt uns an der Anmeldung anzugehen, wenn es demnächst Biontech nur für 30 Patienten in der Woche gibt.