Spahn‘s Biontech-Blockade – ein möglicher Hintergrund

20 11 2021

Wenn man sich als Hausarzt fragt, was Spahn‘s letzte Rache an uns Hausärzten für einen Hintergrund hat, kommen verschiedene Ideen, die in die Gesprächsrunde geworfen werden: “Er hasst uns doch sowieso, hat er schon immer getan…“ oder “Der denkt eh nicht nach…“ oder “Hauptsache sein Maskendeal steht, wer weiß…“ und noch mehr Vorschläge. Als Hausarzt googelt man dann schnell nach den Lieferprognosen der Bundesregierung. Und siehe da… man kommt der Sache ein Stück näher…

Und während uns als Hausärzten alle Planungen bis Jahresende geschrottet werden, gehen etwa 8,7 Mio Dosen Biontech, also alle November-Lieferungen in die Covax-Initiative. Ich nehme mal an, wenn das publik wird, wird dieses Ansinnen in der Bevölkerung nicht besonders beliebt sein. Wir haben etwa 50 Millionen Menschen mit Biontech erst- und zweitgeimpft. Die Deutschen haben Vertrauen in den Impfstoff, er wird in Europa produziert und wurde hier entwickelt. Mehr kann man sich doch angesichts der Probleme mit dem Image der Vektorimpfstoffe in Deutschland eigentlich gar nicht wünschen. Dieses Vertrauen, das ein Patient darin hat, gibt er mündlich an seine Umgebung weiter. Das könnte uns helfen, die Impfquote insgesamt zu steigern. In unserer Praxis stellen wir jeden Tag fest, dass die Menschen gerne wieder mit dem gleichen Impfstoff geimpft werden wollen, den sie beim ersten Mal hatten – abgesehen von den Vektorimpfstoffen. Genau deswegen, weil wir ihnen sagen konnten, ja Sie bekommen Biontech bei uns, haben die sich erst angemeldet für die Boosterimpfung. Das ist eines der Argumente, mit denen wir hätten jetzt den Impfturbo tatsächlich zünden können. Wer möchte, dass Menschen sich impfen lassen, muss sie als Menschen betrachten, nicht als Objekt, das in Zahlen ausgedrückt wird. Genau da werfe ich Herrn Spahn als gelernten Kaufmann vor, dass er so denkt. Und so hat er die ganze Zeit seine Kommunikation ausgerichtet, von Anfang an. Aber wir kaufen bei ihm keinen Bausparvertrag! Das muss er mal irgendwann verstehen. Zum Ende seiner Amtszeit scheint er wie ein kleiner beleidigter Junge zu agieren, den man nicht mehr weiterspielen lässt, jedenfalls wenn man seine Reaktionen im Oktober und diesen Quatsch jetzt betrachtet. Allein in meiner Praxis sind es bisher (!) etwa 250 Termine und weitere freie Blöcke zum Terminieren, die wir absagen können bzw. wo wir jeden einzelnen jetzt fragen müssen, ob das ok wäre, wenn er Moderna bekommt. In der Realität einer Hausarztpraxis heißt dass, dass wir nicht täglich kleine Blöcke nebenbei impfen können mit 6 oder 12 Patienten und zweimal die Woche größere Aktionen an den Sprechstundenfreien Nachmittagen, sondern dass wir jetzt immer 20 Patienten nacheinander impfen müssen. Dafür reicht unser Wartezimmer gar nicht und die Kapazität unserer Mitarbeiter auch nicht. Ich schätze, dass man vielleicht pro Termin 10 Leute zusammen bekommen wird, die Moderna nehmen, die anderen werden beleidigt gehen und entweder auf einen neuen Termin warten (was die Impfkampagne verzögert) oder sich gar nicht mehr boostern lassen (was fatal wäre). Es sind Menschen, die Diskussion läuft seit Monaten auf einer emotionalen Ebene, also was erwartet dieser Herr Spahn? Naja, unterm Strich werden dann die im Februar verfallenden Impfdosen nicht zentral entsorgt, sondern einzeln in den Hausarztpraxen im Land. Dafür soviel Aufwand…

Mal ehrlich: Wäre es nicht wesentlich sinnvoller gewesen, die 8,7 Mio Dosen Biontech in die Arztpraxen zu geben und in die Impfzentren, damit hätten wir knapp 1/3 des Ziels erreicht. Und die Nachlieferungen der Moderna-Dosen, die im November kamen, die hätte man doch an Covax geben können, das wären sogar 10 Mio gewesen. Wir hätten logistisch die Hausärzte entlasten können, in dem man sagt: Biontech für die Praxen, Moderna für die Impfzentren und die Menschen hätten sich von ganz allein aufgeteilt, je nachdem was sie wollen bzw. auch wenn es ihnen egal wäre, welchen Impfstoff sie beim Boostern erhalten.

Auf die Studien mit den Antikörper-Titern schaut primär erstmal keiner. Natürlich sind die mRNA Impfstoffe austauschbar und das überkreuzte Impfen kein Problem, gibt ungefähr die gleiche Antwort, manchmal mit Überkreuzen sogar besser. Aber wir sprechen hier von emotionalen Entscheidungen der Bevölkerung in einer angespannten, teilweise aufgeheizten Situation. DA MUSS MAN MAL DENKEN BEVOR MAN SO EINEN VERDAMMTEN BOCKMIST ANRICHTET und die ohnehin überlasteten Hausarztpraxen an den Rand des Wahnsinns treibt. Immerhin haben wir bis zu dieser Woche immer 2 Wochen im Voraus planen müssen, das heißt, die Termine für die Impfungen stehen dann längst. Das einzige, was Herr Spahn damit anrichtet, ist dass uns die MFAs scharenweise weglaufen, weil sie das nicht mehr ertragen, dass Hausarztpraxen konsequent auf Boostern verzichten, um einfach mal wieder halbwegs normal zu arbeiten und dass die Bevölkerung nicht bis Jahresende zum großen Teil die Boosterimpfung hat, sondern wir zum Beispiel für unsere 250 Patienten mit Termin nicht 2 Wochen brauchen sondern 8 Wochen. Gratulation, so geht man als Minister und hinterlässt verbrannte Erde. Egal wer kommt, es möge irgendwie besser werden…





Die hölzernen Nüsse November 2021

20 11 2021

Herr Spahn mit seinem Zitat über langsam impfende Hausärzte (Frauenanteil deutlich über 50%) war dicht dran. Aber wie es manchmal im Leben so ist, kommt dann einer und schnappt dir die Trophäe vor der Nase weg…

https://www.zeit.de/news/2021-11/17/hausaerzte-empoert-ueber-laumanns-spruch-impfen-statt-golfen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de

Die hölzernen Nüsse im November 2021 gehen nach NRW, genauer an den Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) für das Zitat „Statt Golfplatz am Samstag Impfen am Samstag.“ Herzlichen Glückwunsch für soviel Boshaftigkeit und Diskriminierung. Lieber Herr Laumann, wie wäre es mit #einfachmalneschichtmachen in der Hausarztpraxis? Ich nehme an, es wird Ihnen als vielbeschäftigter Mann lächerlich vorkommen, wenn ich Ihnen sage, dass die meisten Hausärzte inzwischen 4 oder 5 lange Tage machen, heißt Vormittagssprechstunde plus Nachmittag für Sprechstunde oder Impfen. Dazu kommen Hausbesuche, Dienste, Behördenanfragen (braucht so 20-30 min bis Postfertig und man rechne so 3-4 Stück pro Woche), Telefonsprechstunde für Infektpatienten, die jämmerlich nicht funktionierende Telematik-Infrastruktur in Dauerwartung mit dem Rohrkrepierer KIM-Dienste. Naja, nehmen wir mal an, man hätte doch Zeit, dann geht leider momentan das ganze schöne viele Geld, mit dem wir Hausärzte reich werden und unseren Mitgliedsbeitrag im Golfclub und die Ausrüstung bezahlen könnten, für horrend gestiegene Materialkosten drauf. Eine Packung Handschuhe kostet 8-10 Euro im Einkauf. Wechselt man konsequent die Handschuhe nach jeder Spritze und Blutabnahme, reicht es für 50 Patienten, also für einen MItarbeiter 1-2 Tage je nach Arbeitsanfall. Selbst wenn wir da sparen würden, pulvern wir leider eine Menge in diesen Telematik-Quatsch, der keinem was bringt. Wir bezahlen doppelt so viel, wie die KVen Kostenerstattungen machen. Also tragen wir 50% der gesamten Umstellungskosten. Sie sehen, selbst wenn ich Golf spielen könnte und es mal gelernt hätte, ich wäre nicht in der Lage, den Eintritt in die Welt zu zahlen, in der Sie offenbar verkehren. Ich verbringe übrigens den Samstag entweder bei Fortbildungen (wegen der Coronapandemie, die Verantwortliche wie Sie leider immer noch nicht in Griff bekommen haben, meist derzeit nur online) oder beim Einkaufen und Haushalt machen. Letzteres schaffe ich leider nicht, wenn ich abends um 19.00 Uhr die Praxis verlassen habe. Da reicht die Zeit nur noch zum bloggen über Hölzerne Nüsse und so Kram. Impfen mache ich übrigens 4-5 Tage pro Woche in der Praxis. Ach ja “Ich spiele gar kein Golf“. Also mein Vorschlag für Sie: statt Golfplatz am Samstag mal Realität erleben am Donnerstag. Und falls Sie am Donnerstag keine Zeit haben, zu Ihren Hausarzt zum Impfen zu gehen, dann bin ich mir sicher, es findet sich jemand, der Sie und Ihre Freunde der gehobenen Gehaltsklasse auch in gewohnter Umgebung auf dem Golfplatz impft. Das Impfen in gewohnter Umgebung soll ja durchaus das Level der Stresshormone senken, gerade bei Menschen, die Angst vor Ärzten haben, selbst auf Golfplätzen….





Fatales Nichtstun am Rand des Abgrunds

20 11 2021

Momentan erleben wir die Epidemie in voller Breite von hausärztlicher Seite. Während wir in den ersten 3 Wellen pro Welle insgesamt von mehreren Fällen in einer Praxis sprachen, sieht die Sache derzeit deutlich anders aus. Im Oktober hatten wir etwa einen Fall jede Woche, das fanden wir viel. Doch jetzt hatten wir diese Woche in unserer kleinen Praxis bereits 3 Fälle. Damit wird die neue Höchstzahl mit über 1000 Infektionen in MV für uns selbst spürbar. Viele Kollegen wähnten sich immer weit weg, hatten in unseren Breiten genau wie wir wenige Fälle. Wenn es jetzt jedoch noch mehr werden, dann bekommen wir ein Problem. Wir fahren Normalbetrieb, impfen dazu gegen Grippe und jetzt auch in (wenn Spahn es nicht gerade an die Wand fährt und den Impfstoff wegstreicht statt die Aufgabe von nationaler Tragweite anzugehen und dabei die Befindlichkeiten der Menschen zu beachten) großem – für uns großem – Ausmass die Boosterimpfungen. Mein Motto ist: Jeder geimpfte oder geboosterte trägt es nicht herum…

Die Kollegen in den Kliniken, vor allem in anderen Bundesländern, sind kurz vor dem Kollaps. Während wir 2020 nach Italien sahen und es fern war, wenn im Eingangsbereich von Kliniken blitzeblaue Menschen nach Luft rangen und kurz darauf starben, da ist es jetzt hier angekommen. In ein bis zwei Wochen – sprich zu Beginn der Adventszeit – werden wir in den ersten Landkreisen Verhältnisse wie einst in Norditalien haben. Doch dort hat man gelernt und ist vor allem in der Kommunikation über die Impfung anders mit den Menschen ins Gespräch gegangen als hierzulande – Impfquote um die 80%… Ich weiß nicht, ob es jemand versteht da oben, aber in unseren Kliniken ist das Personal am Ende nach 1,5 Jahren Katastrophenmodus. Wer nicht schon krank ist, arbeitet für die kranken Kollegen mit. Wie lange soll das noch gut gehen?! Und na klar sind die sauer, dass die Leute sich nicht impfen lassen, denn auf den Intensivbereichen liegen überwiegend ungeimpfte Patienten. Vermeidbare Tote. Und die lebenden blockieren Betten für die Routinefälle, die eine HerzOP bräuchten, aber wegen mangelnder ITS-Kapazität nicht operiert werden können. Und wenn jemand noch vor der Herz OP an einem Infarkt stirbt, dann zählt es in eine andere Statistik. Aber Corona hat auch ihn irgendwie getötet. Kann mir jemand folgen? Durch all das, was gerade passiert, werden Familien auseinander gerissen. Wird Weihnachten nie wieder das selbe sein wie vorher, werden Kinder zu Halbwaisen und Enkel verlieren Oma oder Opa viel zu früh. Wollt ihr das alles so?

Das Fatale Nichtstun kurz vor dem Abgrund läuft gerade in Berlin. Während sich die Damen und Herren der Ampel-Riege gerade gegenseitig die Füße küssen und in Gesprächskreisen vor sich hin verwelken, liegt dieses Land in einem gefährlichen Koma. Wir rasen mit tausend Sachen auf den Abgrund zu und niemand tut etwas dagegen. Die kommissarische Noch-Regierung würde prinzipiell wohl gerne – wie bei jedem Regierungswechsel zuvor – ein Trümmerfeld zum Aufräumen hinterlassen gespickt mit Tretminen aller Art. Aber das geht dieses Mal nicht, denn man merkt wohl selbst, dass es nicht gut wäre… Also während die kommende Regierung noch im Rausch der Glückseligkeit der gewonnenen Wahl vor sich hin verhandelt, muss die alte Regierung irgendwie den Spagat schaffen zwischen dem, was man gerne würde und dem was die kommenden wollen… heraus kommt kaum was brauchbares. Das Auslaufen der Epidemischen Notlage zum 29.11.21 ist wohl die derzeit größte Fehlentscheidung. Während sämtliche Arztverbände dagegen Sturm laufen, juckt es niemanden. Klingt nach einer künftigen Tretmine. Da dürfte sich die scheidende Regierung durchaus in den Geschichtsbüchern einen der entscheidenden Schritte für den Schwarzen Winter 2021/22 vorwerfen lassen müssen.

Eine zweite große Fehlentscheidung aus ärztlicher Sicht wohl gewesen, vor einigen Monaten im Überschwang der abklingenden dritten Welle zu sagen “Nie wieder Lockdown“. War absehbar, dass das zu früh kam. Kam bei vielen wohl so an, dass sich die anderen schon impfen lassen und Lockdown kommt eh nicht mehr, also wozu dann impfen? Noch größer bzw. schlimmer finde ich die Unfähigkeit, oder sollte man eher sagen die volle Hose, wenn es darum geht, jetzt einfach mal den Rücken gerade zu machen und als amtierende Regierung einen Lockdown zu fahren. Wenn wir zwei Wochen warten, kommt er zu spät. Wer glaubt, dass er in Deutschland nie Zustände wie in Italien, Spanien, England oder damals Portugal sehen wird, der irrt. Man kann nur hoffen, dass es irgendwie nicht die eigene Region ist. Doch leider sieht die Karte mit den Zahlen anders aus. Schön war der Sommer mit der kurzen Pause. Damals im Strandkorb dachte ich, es ist so schön dieser Moment und ich habe gespürt, dass ich diesen Moment wirklich genießen musste, denn eine Ahnung war da, dass das damals in Zahlen kleine Delta uns überrollen wird. Ich hoffte, mich zu irren…. eigentlich hatte ich mit verschärften Massnahmen Ende September gerechnet… aber dieses Machtvakuum bietet Corona viel Raum. Es wäre vielleicht vernünftig gewesen, wenn man sich geeinigt hätte, dass währen der Übergangsphase der Kurs der alten Regierung komplett weiter gefahren wird. Denn die Regierungsbildung kann sich noch einige Zeit hinziehen. Ich glaube, wenn man nicht bald entscheidende Dinge ändert, dann kann sich zwar die neue Regierung bilden, wird aber am Schwarzen Winter scheitern und wir haben im Frühjahr wieder Wahlen…

Was wäre jetzt angezeigt? Aus meiner Sicht ein paar Dinge, damit wir wenigstens vor Weihnachten einen Schritt vom Abgrund weg erfolgt.

  1. Sofortiger Entscheid, dass die Epidemische Notlage bis mindestens 31.5.22 verlängert wird
  2. Sofortiger Lockdown mit 2G für Geschäfte, Absage von großen Veranstaltungen, generelle Maskenpflicht in Innenräumen auch bei Veranstaltungen, Homeoffice, Homeschooling an betroffenen Schulen für Ungeimpfte Kinder zu deren Schutz, Kitas wieder mit entsprechenden Vorkehrungen, usw.
  3. Boosterimpfungen bis Jahresende mit Verpflichtung der Länder die Impfmöglichkeiten innerhalb von 7 Tagen zu verdoppeln. Für die Adhärenz und die Logistik in den Praxen wäre es mehr als sinnvoll, ausreichend Biontech zur Verfügung zu stellen. Es macht wenig Sinn, knapp 50 Millionen mit Biontech zu impfen, aber mitten im November über 8 Millionen Biontech Dosen ins Covax zu geben, statt dafür Moderna in gleicher Höhe dafür zur Verfügung zu stellen. Menschen haben Vorstellungen, Emotionen, Prägungen, solange das nicht berücksichtigt wird, ist jede Booster-Kampagne nicht ins Laufen zu bekommen.
  4. Gesundheitsämter wie in der dritten Welle umgehend verstärken mit Hilfe anderer Behörden und Bundeswehr-Amtshilfe. Es ist nicht die Aufgabe der Hausärzte, neben all den anderen Dingen auch noch die Kontaktverfolgung zu machen. Und es bringt wenig Sinn, wenn die Quarantäne-Anordnung erst nach 4-5 Tagen kommt…
  5. Auch der Hausärzteverband bzw. die Landesverbände müssten mal überlegen, bevor sie was sagen. Wie kann man davon ausgehen, dass die Hausarztpraxen das ganze Boostern alleine schaffen??? Wer sitzt da und kann nicht rechnen? Durch diese Haltung fehlte sicherlich auch die mediale Kampagne in Sept und Oktober. Wir sind den Leuten damals mit den Impfungen hinterher gelaufen, aber keine wollte. Tja und jetzt…

Schließlich ist die Frage, was man selbst tun sollte. Mit einem Wort: Einigeln. Je weniger Kontakte, desto besser. Schnelltests immer wenn man sich trifft, und zwar für alle, die da sind. Impfen natürlich. Und klare Linie fahren, z.B. statt höflich zu ertragen, dass der Besucher ungeimpft ist und sich großkotzig aufführt, würde ich ihn einfach genauso höflich ausladen. Wenn das alle tun, lösen sich manche Dinge durch den Druck des Umfelds von allein. Statt CampDavid T-Shirt um dazu zu gehören, will man dann vielleicht endlich die Impfung, weil der Freundeskreis sich so langsam verkleinert… Und sich stets die Frage stellen: Muss das jetzt sein? Muss ich ins Konzert/Kino/Fußball? Wäre es mir das wert, dafür an Corona zu erkranken oder im schlimmsten Fall dafür mit ernsten Problemen zu kämpfen?

Wir kommen nur vom Abgrund weg, wenn jeder für sich selbst Verantwortung übernimmt und nicht hofft, es wird ein anderer lösen – ob nun beim Thema Impfen oder beim Entscheid über Lockdown und Epidemische Notlage. Am Ende muss sich jeder fragen, was hast du 2021 getan, als der Schwarze Winter war, Opa, hast du geholfen?





Spahn zerstört Impf-Turbo

19 11 2021

Während wir Hausärzte deutschlandweit dieser Tage pro Praxis hunderte Termine für Booster-Impfungen machen und eigentlich froh waren, dass in all dem Chaos, der politischen Schwebesituation und der explodierenden vierten Welle wenigstens eins sicher schien: dass wir genügend Impfstoff bekommen und zwar den, den wir haben wollen, fällt mit einem Satz alles in sich zusammen. Der Impf-Turbo ist heute nachmittag gestorben. Wir dachten, es wäre jetzt endlich alles normaler und einfacher geworden. Denn es lagern – so wurde zumindest gesagt und gezählt – Millionen Dosen in den Lagern, Biontech und Moderna. Bis heute am späten Nachmittag. Da ließ der scheidende Gesundheitsminister eine Bombe platzen: Die – von ihm vor kurzem als viel zu langsam beim Impfen titulierten – Hausärzte bekommen pro Woche ab sofort nur noch 30 Dosen Biontech, pro Impfzentrum gibt es nur noch 1020 Dosen. Bumm. Stille…

Begründung für diese Festlegung: Es lagern etliche Dosen Moderna, die im Februar ablaufen. Und die sollen raus. Deswegen sollen die doofen Hausärzte, die jetzt schon bis Jahresende die Terminbücher mit Auffrischungen zugeplant haben (immerhin, wir sind zwar lahm Herr Spahn, aber nicht unfähig den Abstand von 6 Monaten auszurechnen), ihre Planungen komplett ändern. Statt 6er-Blöcken Biontech, dann 20er Blöcke Moderna. Und das wo die Patienten bei Terminvergabe gesagt bekommen wollen und haben, was wir impfen: Biontech.

Was sind die Konsequenzen aus dieser Spahnschen Verbalentleerung? Die Hausärzte werden etliche Absagen bekommen, von Patienten, die Biontech wollten, weil sie es die ersten beiden Male hatten, und das waren in der Regel die meisten, die wir geimpft haben und anteilig an der Gesamtmenge der geimpften auch die größte Zahl. Zweitens werden die Hausarztpraxen umgehend die Terminvergabe stoppen, wenn sie wie meine Praxis das drei- bis vierfache pro Woche verimpfen wollten und dafür extra Termine verschoben haben und die komplette Praxislogistik danach ausrichten, diese Aufgabe zusätzlich zu schaffen. Das wird was zur Folge haben? – Genau: verbale und körperliche Gewalt in Arztpraxen gegen Ärzte und vor allem die MFAs. Das geht auf Ihre Kappe Herr Spahn! Unsere MFAs haben seit Beginn der Pandemie großartiges geleistet, haben 50% der Pandemie gestemmt mit uns, denn die meisten Patienten werden ambulant behandelt und die Test- und Impflogistik liegt auf unseren Schultern. Und was tun Sie? Neben viel Nichts, noch mehr Chaos, richten Sie jetzt an, dass man uns attackieren wird. In MV hat das Landesgesundheitsamt einen Brief an alle über 70jährigen rausgeschickt, dass sie sich in den Praxen melden sollen, um einen Impftermin zu vereinbaren. Und ja, die Menschen kommen. Sie müssen ja auch zu uns kommen, weil die Impfzentren auf Minimum fahren, bei uns zum Beispiel nur halbtags – das macht vier Stunden Wartezeit für eine Impfung. Wir haben in unserer Praxis die Kapazitäten massiv hochgefahren. Ach ja – übrigens auch heute vormittag nochmal dutzende Termine geschaffen, die vergeben werden sollen. Denn gestern Abend sagte unsere Noch-Kanzlerin mit den anderen Herrschaften live im TV, dass wir eine nationale Kraftanstrengung vollbringen sollen und bis Jahresende 30 Millionen Menschen geimpft werden sollen mit der Booster-Impfung und dass wir Hausärzte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Und heute, keine 24 Stunden später kommen Sie und spucken uns bildlich gesprochen mitten ins Gesicht. Danke. Ich kann nicht sagen, dass ich bedauere, dass Sie demnächst etwas mehr Freizeit haben. Aber die könnten Sie sinnvoll nutzen: Kommen Sie in eine Hausarztpraxis in MV und erklären mir zum Beispiel mal, wie ich jetzt von all den Biontech-Willigen, die die erste und zweite Impfung mit Biontech erhalten haben und auch die Auffrischung gerne damit bekommen möchten (sie sind freiwillig gekommen ohne dass Sie eine riesige Bettel-Impf-dich-doch-Kampagne starten mussten), weil sie es vertragen haben und dem Impfstoff vertrauen – ja wie ich denen erklären soll, dass jetzt von über 70 Terminen in der Woche mehr als die Hälfte wegfällt? Soll ich jetzt auslosen, wer geboostert wird und besseren Schutz gegen Delta hat? Und nein, ich rede tatsächlich nur von Menschen aus der zuerst aufgerufenen Zielgruppe ab 70 bzw. Immunsupprimierte etc. Davon haben wir hier in MV reichlich.

Hat Herrn Spahn eigentlich mal jemand gesagt, wie völlig unfähig seine Kommunikation ist? Es ist doch logisch, was jetzt passieren wird, wenn es heißt, nein kein Biontech mehr für Hausarztpraxen bzw. begrenzte Minimalmengen. Dafür muss endlich das Moderna weg, das verfällt demnächst… die Menschen in diesem Land werden denken, Sie Herr Spahn wollen ihnen die Joghurt- Reste aus der Kurz-Vor-Ablauf-Truhe im Aldi verkaufen und damit einen guten Impfstoff im Ruf “ermorden“. Ich hoffe sehr, dass der Hersteller von Moderna es sehr schnell merkt und mit einer Image-Kampagne gegensteuert und was mich noch mehr freuen würde, wenn er Sie dafür in finanzielle Verpflichtung nehmen würde. Vielleicht denken Sie dann mal nach BEVOR Sie etwas sagen. Es hat sich oftmals als sehr nützlich erwiesen, wenn man an so entscheidenden Positionen sitzt wie ein Minister…

Also ab heute Verwirrung bei den Menschen, Angst sie werden nicht geimpft, in der Folge Aggression und Kampf um den Impftermin mit dem gewünschten Impfstoff und ab Montag Chaos in den Praxen, weil niemand weiß, ob und wieviel Impfstoff kommt, reihenweise Terminverschiebungen, extrem mehr Aufwand für das Personal (die Zeit könnten wir besser mit Impfen verbringen) und Vergabestopp bei den Impfterminen.

Fazit: Die gestern verkündete Beschleunigung der Booster-Impfkampagne ist nach nicht einmal 24h gestorben. Wir haben so definitiv keine Chance, es zu schaffen, bis Jahresende 30 Millionen Menschen zu boostern, um die vierte Welle abzuschwächen. Es wird vermeidbare Tote geben, für die ich Herrn Spahn verantwortlich mache und fordere, dass umgehend geprüft wird, ob und wie diese Entscheidung gestoppt werden kann und ob sich Herr Spahn damit aufmacht, juristisch und politisch verantwortlich für die ungeboosterten Toten zu sein, die noch folgen werden. Die Entscheidung wird zudem zu massiver Aggression gegen Hausarztpraxen und deren Mitarbeitern führen, was angesichts des Hausärztemangels und des Mangels an MFA in vielen Regionen fatal sein dürfte. Am Ende werden immer weniger Praxen impfen…

Was können wir als Ärzte tun?

Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Ich fordere dazu auf, dass wir Praxen miteinander kooperieren. Da jeder Praxis 30 Dosen Biontech pro Woche zur Verfügung stehen sollen, wäre eine Lösung, dass wirklich jede Praxis diese 30 Dosen Biontech bestellt, auch Psychiater, Dermatologen usw. selbst wenn sie nicht selbst impfen. Die Dosen, die nicht verbraucht werden, dürfen seit einigen Monaten an andere Praxen weitergereicht werden. Also sollten die Kollegen, die nicht selbst impfen, mit impfenden Praxen kooperieren, die 30 Dosen Biontech bestellen und weiterreichen. Es hilft impfenden Praxen, die Termine aufrecht zu halten ohne dass viel umändert werden muss und so kann weiter möglichst schnell geimpft werden.

Eine Idee des Protests wäre es, konsequent deutschlandweit eine Woche Impfstreik zu machen… ich glaube, das könnte politisch ein Erdbeben auslösen. Aber helfen wir damit den Patienten wirklich? Die Medaille hat zwei Seiten… Vielleicht wäre ein Protest, dass wir unseren Patienten vorgefertigte Protestschreiben ausgeben, die sie an Herrn Spahn schicken, dann hat er noch was zu lesen, bevor er geht… also Kistenweise bis im BMG kein Flur mehr ohne gelbe Postkisten steht… Eine Online-Petition vielleicht? Aber was nützt es, wenn wir Hausärzte alleine kämpfen? Es braucht unsere Patienten, die auf unserer Seite stehen, statt uns an der Anmeldung anzugehen, wenn es demnächst Biontech nur für 30 Patienten in der Woche gibt.





Das Kreuz wenn du gegen Grippe geimpft bist

17 11 2019

Habe mich impfen lassen gegen Influenza, oder wie es landläufig heißt: Grippeimpfung. Wie schon etliche Jahre lang. Ich hatte auch mal die echte Grippe, das war, als ich nicht geimpft war und es war nicht besonders lustig…

Und wieder fiel mir wie alle Jahre vorher auch ein, wie es immer in der Klinik war. Ein Teil ließ sich impfen, aus Überzeugung, weil auch „normale“ Mitarbeiter mal Risikofaktoren haben. Mit denen man eben nicht so gerne Grippe haben möchte, weils gefährlich wird. Dann kamen jedes Jahr die Grippewellen. Und Patienten, die damit isoliert wurden. Und die Ansage, dass vornehmlich die Leute reingehen die geimpft sind. Na… merkt es hier der ein oder andere Leser schon, was für ein Alltagswahnsinn das immer ist jedes Jahr in deutschen Kliniken? Die mit Vorerkrankungen, die Risikopatienten wären bei Grippe, lassen sich impfen. Die anderen nicht. Die geimpften mit Risiko gehen in die Isolierzimmer mit Grippepatienten und haben bei Schutzraten um 70% also ein Drittel Chance krank zu werden und zwar richtig und mit Risiko. Oder halt auch drauf zu gehen. Die gesunden und ungeimpften sind fein raus… hat auch was von Darwinismus durch die Klinikverwaltungen… es hat mich immer geärgert… und ich hatte diverse Schwestern, die besorgt kamen, weil sie wegen Rheuma Prednisolon nahmen oder wegen Morbus Crohn auf Humira eingestellt waren… was war mein Rat… was soll man zu angeordneter Gefährdung sagen… das es Schwachsinn ist… ja kann man, aber nicht den anordnenden Verwaltungschefs ins Gesicht. Ich habe den Mitarbeitern schlicht geraten, zu sagen, sie sind nicht geimpft. War natürlich schwierig, wenns über den Betriebsarzt lief, weil der die Listen an den Arbeitgeber gibt. Hatte zur Folge, dass viele dann den Betriebsarzt scheuten und zum Hausarzt gingen. Oder sich nicht mehr impfen ließen, um nicht zu den Dummen zu gehören, die in die Isozimmer müssen. Mir ist nicht klar, ob der STIKO klar ist, dass dies einer der Gründe ist, warum sich medizinisches Personal nicht so gerne impfen lässt… bzw die offiziellen Impfraten so niedrig sind… Aber ihr kennt ja den Spruch, liebe Verwaltungschefs… man wünscht niemandem was böses, aber wenn zufällig so einer die Treppe runterfällt und man steht daneben, dann winkt man höflich hinterher…

Ich bin pro Impfungen. Deshalb sag ich es gleich: Impfgegner-Kommentare werden hier nicht veröffentlicht. Das ist meine Meinungsfreiheit.





Ich brauch da mal ne Masern-Impfung

28 02 2015

… Ja, heute noch, ich will heute nachmittag nach Berlin fahren und in der Zeitung steht, da sind die Masern und man soll sich impfen lassen. Das will ich jetzt. -…- Wie, das geht nicht?! Sie sind doch eine Notaufnahme!!! Das ist jetzt ein Notfall, ich will nach Berlin und ich brauch jetzt ne Impfung. -…- woher soll ich denn wissen, ob ich schon geimpft bin?! Keine Ahnung wo mein Impfausweis ist…

*seufz* Gut, dass er drüber nachdenkt. Gut, dass er sich impfen lassen will. Aber hätte er nicht einfach Freitag zu seinem Hausarzt gehen können mit seinem Impfausweis…

Masern-Impfungen werden nicht in der Notaufnahme gemacht. Wendet euch an euren Hausarzt oder Kinderarzt oder das Gesundheitsamt. Sucht euren Impfausweis. Wer 2x gegen Masern geimpft wurde, hat Schutz. Wer sich unsicher ist, fragt an der Anmeldung der Hausarztpraxis. Der MMR-Impfstoff ist eine Lebendimpfung. Außer bei Masern-Kontakt (postexpositionsprophylaxe) sollte man infektfrei sein. Eine Reaktion wie bei Gruppe, mit kurzem Ausschlag oder auch Fieber kann auftreten. In einem Beitrag vor Jahren hab ich dazu schon ausführlich geschrieben. Kurz zusammengefasst: Masern machen Gehirnhautentzündung, lUngenentzündung, können zu Behinderung führen oder zum Tod – direkt bei der Infektion oder um Jahre versetzt durch SSPE, einer schrittweisen Zersetzung des Gehirns bei Kindern, die tödlich endet und für die es keine Behandlung gibt.

Impfschutz für euch und eure Kinder ist wichtig für euch, die Kinder und alle, die zu jung sind (Babys) oder zu krank zum impfen. Verantwortung endet nicht an unserer Wohnungstür. Nächstenliebe ist auch, seine Kinder nicht zu Viren-Mutterschiffen zu machen und als Superspreader und biologische Waffe gegen andere Kinder, die zu klein sind zum impfen oder zu krank, einzusetzen.