#metoo in der Medizin

8 03 2023

Ich weiß immer nicht, was ich sagen soll, wenn ich höre „Wozu #metoo – sowas gibts bei uns nicht“ oder „wir sind Ärzte, das macht keiner“ oder „wir sind alles gebildete Menschen, sowas brauchen wir nicht“. Meine Antwort darauf ist ganz klar: DOCH!

Ich beziehe mich jetzt – nur um es ganz klar abzugrenzen – auf das Verhältnis zwischen Ärzten und Ärztinnen und nicht auf Vorfälle mit Patienten. Die finde ich genauso verwerflich und strafbar. Ich möchte aber an dieser Stelle explizit dazu auffordern, dass wir Ärzte in unseren eigenen Organisationen Strukturen errichten, die es zum einen ermöglichen, dass anonyme Beratungen der Betroffenen erfolgen, dass präventiv strukturelle Änderungen geschaffen werden – sowohl in Kliniken, Praxen, MVZ aber auch in unseren ärztlichen Organisationen – und vor allem in Approbationsordnung und Weiterbildungsordnungen, dass es aber auch ermöglicht wird, dass Vorfälle verfolgt werden können, ohne dass Karrierestürze zur Bestrafung für die Betroffenen drohen, während Täter weiter in ihren Positionen verbleiben. Während ich dies schreibe, erscheint mir mein Wunsch nahezu unmöglich. Doch wenn keiner anfängt, das Thema anzusprechen, wenn niemand sich traut zu sagen, dass es in unserer Branche so etwas gibt, wenn niemand sagt, dass es Hilfe und Veränderung braucht, dann werden unsere Töchter genauso darunter leiden wie wir und wie unsere Mütter.

Ich war Studentin, gerade einmal 23, da bekam ich Differenzen mit meinem damaligen Doktorvater, für den ich auch HiWi-Dienste leistete. Es fiel irgendwann der Satz „Ich möchte keine Lippenbekenntnisse mehr, ich will einen Vertrauensbeweis!“. Ich fragte, wie er das meint. Ahnungslos, was da wirklich hinter stand, naiv wie man als junge Frau manchmal ist. Er antwortete „Genauso, wie ich es gesagt hab.“ Da mein Entschluss bereits stand, das dort alles hinter mir zu lassen, packte ich meine Kündigung auf den Tisch. Ich berichtete einem Kollegen von dem Gespräch, der etwas älter war als ich. Erst da begriff ich, welche Forderung da tatsächlich hinter stand.

Als Studentin im Chirurgie-Praktikum ging ich mit Kommilitonen die Treppe zur Kantine rauf. Ein Oberarzt ging hinter uns. Erst zog er mir an den Haaren, dann fasste er mir in BH-Höhe auf den Rücken. Ich drehte mich um, im Willen, demjenigen ein paar zu scheuern, als ich erkannte, es war ein Oberarzt, stoppte ich. Er lachte nur. Kein Wort der Entschuldigung, sondern der Satz, es hätte ihn so gelockt.

Während des PJs hatte ich schlicht Glück. Ich war in der uns allen verhassten Chirurgischen Klinik in einem Bereich eingesetzt, wo es keine Grapscher gab. In der Allgemeinchirurgie sah es anderes aus. Da versuchten die Mädchen ständig mit den Jungs zu tauschen für die OPs. Und es gab Ärzte die das gerne unterbunden haben, wenn sie es schafften. Hintergrund: Der PJ hält am OP-Tisch die Haken. Er ist steril, darf sich nicht bewegen und muss den Mund halten. Jedenfalls in der Klinik wo ich war. Er/sie kann sich nicht dagegen wehren, wenn ein Arzt mal gucken kommt, wie es läuft, der unsteril ist, also alles unsterile anfassen und sich bewegen darf, und den unsterilen Hintern einer Studentin anfasst, während er ihr über die Schulter guckt. Und alle schweigen – die OP-Schwestern, die das Problem kennen, die anderen Ärzte, die den Testosterongesteuerten Kollegen nur zu gut kennen, die Anästhesie, weil sie sich raushalten will und nicht zuletzt die Studentin, weil sie angeschrien wird, wenn sie wackelt, weil sie angeschnauzt wird, wenn sie was sagt und weil ihr sowieso keiner glauben würde und man beachte… weil sie genau diesen Arzt vielleicht fragen muss für ihre PJ-Bescheinigung oder vielleicht als Prüfer im Staatsexamen hat. Sollte das ein Kollege lesen, der selbst so eine unruhige Hand besitzt: Ich wünsche Ihnen nichts böses, weiß Gott nicht, das steht mir nicht zu. Ich hoffe für Ihre Tochter, dass sie den unbedingten Wunsch hat, Medizin zu studieren und sich nicht davon abbringen lässt und dann in eine Chirurgische Klinik eingeteilt wird, in der Sie keinen Einfluss haben. Sollte sich Ihnen gerade der Magen umdrehen, nehmen Sie eine Pantoprazol und denken mal stark über Ihr alltägliches Verhalten nach und lassen sich was gegen unruhige Hände geben.

Mir sind von Kolleginnen auch weit stärkere Übergriffe berichtet worden, Dinge, über die man kaum spricht, weil Aussage gegen Aussage steht, weil der Vorgesetzte das Weiterbildungszeugnis schreibt oder schlicht den OP-Plan beeinflusst oder den Dienstplan einteilt oder aber einfach einschüchternd genug ist. Unerwünschte Umarmungen, aufgezwungene Küsse oder deren Versuche, Brust anfassen beim Greifen nach etwas neben der Person. Es ist leider die Palette, die in jedem Unternehmen passieren kann, in jeder Einrichtung, egal wo und egal wann. Es ist immer das gleiche Spiel von Abhängigkeiten, Angst, Dominanz, Verleugnen und Schweigen derjenigen, die auf Augenhöhe mit den Tätern sind. Damals, als wir Studenten waren, haben wir die gehasst, die das taten (und mit wir meine ich meine Kommilitonen und Kommilitoninnen), wir waren Anfang-Mitte 20, die waren zwischen 40 und 60. Heute sind sie 60 und aufwärts und wir sind die zwischen 40 und 60. Wenn mir heute meine Famulantinnen von ihren Famulaturen erzählen, wenn junge Kolleginnen über solche Dinge heimlich berichten im Freundeskreis, dann bin ich entsetzt und denke, wir waren doch damals die, die es besser machen wollten… warum ist dann alles noch so wie damals?





Gruß zum Frauentag 2023

7 03 2023

Liebe Leser, Liebe Kolleginnen,

Ein herzlicher Gruß zum Frauentag an Euch alle. In meinem Bundesland – das viele der langjährigen Leser längst kennen bzw. erahnen – ist der Frauentag ein Feiertag. Und dieser gibt mir die Chance zu bloggen. Ich bin von einer regelmäßigen Bloggerin zu einer selten-Bloggerin geworden, was meinen beruflichen Aufgaben geschuldet ist. Doch dieses Blog wollte ich nicht aufgeben. Der geneigte Leser kann erkennen, dass es mich bereits einen großen Teil meiner beruflichen Laufbahn begleitet. Gestartet bin ich als Assistenzarzt, derzeit unterwegs als Hausarzt. Da das Blog aber etabliert ist, gibt es für mich keinen Grund, den Namen zu wechseln oder Irritationen mit anderen bloggenden Kollegen zu erzeugen. Und für alle, die es über die Jahre noch nicht verstanden haben: Assistenzarzt ist weiblich. Da ich mich aber, dank meiner modernen Erziehung, als gleichwertig mit männlichen Kollegen betrachte, fühle ich mich bei „die Ärzte“ genauso angesprochen wie alle männlichen Kollegen. Also war es mir völlig egal, ob Assistenzarzt oder Assistenzärztin. Ganz egal dann doch nicht, denn in den online-Suchmaschinen werden Umlaute häufig benachteiligt – also wurde es der Assistenzarzt im Titel. Und nein, mich stört es nicht als Frau. Für alle gekränkten männlichen Egos kann ich psychotherapeutische Sitzungen empfehlen. Und damit kommen wir zu meinem aktuellen Anliegen: Ich warte seit Jahren darauf, dass auch in der Medizin mal das Thema MeToo und das Verhalten ärztlicher Kollegen ihren Kolleginnen gegenüber thematisiert wird. Jegliche Versuche werden immer im Keim erstickt oder scheitern, weil die Angst größer ist, als das Bedürfnis, das Problem auf den Tisch zu bringen. Der Ärztinnenbund hatte vor einiger Zeit mal eine Kampagne begonnen, aber was nützt das, wenn sich keine Ärztekammer, keine KV, keine Gewerkschaft dahinter stellt und mitmacht? Nichts. Ich habe keine Lust mehr zu Schweigen. Zu schweigen über toxische Männlichkeit, die im Stationsbetrieb ausgelebt wird. Über Sätze, die nett klingen, aber diskriminierend sind, über die Benachteiligung von Frauen in Teilzeit, wenn es um Oberarztstellen geht, über Herrenwitze an der falschen Stelle, und ja auch über übergriffige Kollegen. Wir arbeiten in einem System von Abhängigkeiten, Vorgesetzten, die auch in der Ärztekammer leitende Stellen besetzen und extrem gut vernetzt sind, von Weiterbildungsordnungen, die dafür sorgen, dass Zeugnisse immer noch vom Willen und Wohlgefallen der Weiterbildungsbefugten abhängen, Approbationsordnungen, die nicht ausschließen, dass der Ausbilder auch der Prüfer im Staatsexamen ist. All dies macht unser Ausbildungssystem vom Studium über die Facharztprüfung bis hin zu Zusatzweiterbildungen anfällig für Dinge, die keiner gerne sagt, weil sie mit Druck ausüben, Machtspielen, Dulden und Ertragen und vor allem Schweigen zu tun haben. Und so lange das so ist, so lange wird sich nichts ändern. Und so lange muss ich allen meinen Famulantinnen beibringen: Halt dich von XYZ fern, geh nicht in die Abteilung ABC wenn du es dir aussuchen kannst, lass dich niemals erpressen sondern geh einfach woanders hin, die Stellenlage lässt es endlich zu. Keine von uns hat Lust, weiter zu schweigen, aber viele können nicht reden, weil es sie die Karriere kosten würde in unserem System. Und deswegen muss sich etwas ändern.

Ich danke an dieser Stelle dem Thieme-Verlag und dem eRef-Bereich. Wie ich seit einiger Zeit feststelle, muss es eine Verlinkung zu den Facharztprüfungsfragen geben. Erstaunlich, dass ein seriöses Portal ungefragt an ein Blog verlinkt, aber das nur nebenbei. Ich gehe davon aus, dass die Hälfte der Besucher von dort weiblich ist und damit auch auf dieses Thema stößt, also mache ich mir keine Sorgen, dass ich dafür Leser:innen finde…





„Die Ärzte…“

15 03 2016

„Das waren die Ärzte…“
„Das müssen Sie die Ärzte fragen…“
„Das sagen Ihnen die Ärzte…“
„Also ich kann Ihnen am Telefon nichts sagen, ich stelle Sie mal zu den Ärzten durch…“ – „Ja hier Dr. Arzt.“ […] „das tut mir leid, nach der deutschen Gesetzgebung ist es mir nicht gestattet, am Telefon Auskunft zu geben, ich dürfte Ihnen nicht mal sagen, dass Patient XY hier ist…“ – „aber die Schwester hat gesagt…“ Hmm… Jaja, so ist das.
„Die Ärzte haben schon wieder…“
„Die Ärzte brauchen heute aber wieder lange…“
„Die Ärzte nehmen sich immer vom Kaffee…“

Es sind immer „die Ärzte“. Irgendwann nervt es. Die Ärzte haben Namen, sind nicht alle gleich, machen nicht alle das gleiche und nicht die gleichen Dummheiten. Und… Ich sag ja auch nicht ständig „die Schwestern“, die haben schließlich Namen, sind verschieden, machen nicht alle das gleiche…





Motivatör

8 06 2015

Sind deine Assistenzärzte auch immer so nervig renitent? Mögen deine Weiterbildungsassistenten nicht mehr als 50 Stunden die Woche arbeiten? Murren sie jedes Mal, wenn sie 24 h am Stück ohne Schlaf arbeiten sollen? Sperren sie sich auch gegen den ständigen Druck der Fallzahlen? Reden sie ständig vom Marburger Bund und Arbeitszeitgesetzen oder Arbeitnehmerrechten? Dann ist der Fall ganz klar: Du brauchst unsere Hilfe.
Jetzt neu und nur bei IKEA: MOTIVATÖR – der neue Prügelstock für Ärzte in Leitungspositionen. Ab sofort für nur 10,99 in deinem IKEA. Und für alle IKEA-Family Mitglieder nur 8,99, aber nur diesen Monat.
Auch neu in deinem IKEA: LILLE MOTIVATÖR – der kleine Prügelstock für Oberärzte und MOTIVATÖR KVINNA – der Prügelstock für Frauen in Führungspositionen.
Probier‘ es aus und du wirst sehen, herrliche Ruhe in deiner Klinik und alle arbeiten, wie du es willst.
Wir tun mit unserem Produkt auch etwas für die Umwelt. MOTIVATÖR wird aus Recycling-Holz hergestellt, das von entsorgten Betten aus Arzt-Dienstzimmern stammt, denn dort werden die Betten nicht mehr gebraucht, weil die Ärzte seit einiger Zeit sowieso jede Nacht durcharbeiten müssen und nicht zum Schlafen kommen. Platzsparend und umweltfreundlich verpackt kommt unser MOTIVATÖR zu dir nach Hause oder in die Klinik. Wir schonen die Umwelt und nutzen nur Recycling-Papier aus alten Dienstplänen, denn der Dienstplan von heute ist morgen schon Altpapier.
MOTIVATÖR – Leitest du noch oder regierst du schon?

DISCLAIMER: Das ist Satire. Böse Satire, ich gebe es zu. Aber ziemlich dicht an der Wahrheit…
Ich möchte mich in aller Form bei meinem geliebten Möbelmarkt IKEA entschuldigen, dass ich sie für diese Satire benutzt habe. Ich werde auch weiterhin eure Umsätze beflügeln, wenn ich denn mal dazu komme, wieder Geld auszugeben statt nur zu arbeiten.





Rollenspiele

14 03 2015

Der Arzt in der Notaufnahme – quasi das Chamäleon im Arztkittel.

Arzt
Zuhörer
Seelentröster
Telefonist
Sekretärin
Stempelfreak
Logistiker
Teilzeitpsychologe
Umlagerungshelfer
Ausbilder
Kommunikationsexperte und Computerreparateur
Handwerker
Deeskalationsspezialist
Gesundheitswesenerklärer
Apothekensucher
Parkautomatenerklärer
Fremdsprachenübersetzer
Kollegenversteher
Prellbock und Blitzableiter
Glaskugelleser
Internetsuchmaschinenbenutzer
Pharmakologiekenner
Kaffeekocher
Inslabormitnehmer
Angehörigenhoffnunggeber
Reanimateur
Sauerstoffverteiler
Infusionshalter
Venenfinder
Den-letzten-Weg-Begleiter
Zum-werdenden-leben-gratulierer
Sich-an-seltene-Krankheiten-Erinnerer
Handschuhverschleißer
Kilometerläufer
Plattfußinhaber
Rettungssanitäterfan
Nureinmalamtagpinkler
Aufsessenverzichter
Alleingelassenwerdender
Vomanderenjobträumer
Krankenhaushassenlernender
Medikamentenzettelentzifferer
Hyroglyphenleser



Und Mensch. Mensch mit Gefühlen, Hoffnungen, Träumen, Wünschen, Familien, ethischen und moralischen Prinzipien.
Aber nicht die allwissende folgsame willenlose Maschine im energiesparenden Dauerbetrieb, die Klinikverwaltungen erwarten.





Zertifizierungs-Wahn

1 03 2015

Momentan habe ich das Gefühl, dass in Deutschland eine Art Zertifizierungswahn an Kliniken um sich greift. Eine Fachgesellschaft nach der anderen bringt Richtlinien, Programme, Qualitätsmanagement-Leitlinien und was weiß ich heraus. Und die Kassen sind auf die Idee gekommen, wir zahlen demnächst nur noch, wenn ihr da mitmacht.
Aber was bedeutet das?
Die Kliniken müssen Formulare standardisieren, Abläufe standardisieren, Vorgaben erfüllen, Zahlen erfassen, tonnenweise Datenbanken ausfüllen, …
Eines ist gut: Die Standardisierung. Für uns Ärzte heißt es, dass an vielen Kliniken endlich mal SOPs entworfen werden. Das ist auch gut für Patienten. Gut ist auch, dass Mindestzahlen für bestimmte OPs und Behandlungsformen gefordert werden. Aber das ist wieder nicht für alles gut. Es wird kleinere Krankenhäuser, die z.B. super Hüften operieren oder Gallen oder sowas, einfach in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, weil sie es möglicherweise demnächst nicht mehr dürfen. Das ist dann für die Patienten dort schlecht, denn sie werden wenn sie Pech haben für Akutgeschichten erstmal ind ie nächste größere Klinik verlegt. Oder aber es gibt in ländlichen Regionen plötzlich weitere Wege zu fahren, weil einfach dort und da eine Klinik nicht mehr überleben könnte. Da fährt man doch dann gerne ein paar Kilometer weiter durchs Ländle, vielleicht so 30 oder 40, dafür dass der gleiche Chirurg dann im großen Haus arbeitet und das gleiche tut wie früher im kleinen Krankenhaus. Nur, dass man dann als Patient in riesigen Medizinfabriken behandelt wird, weils wirtschaftlich effektiver ist. Das kleine Kreiskrankenhaus, was viele so schätzten und was Frakturen, Pneumonien, Entbindungen super betreuen konnte, das wird verschwinden in 10 oder 15 Jahren. Gut finde ich die Zentrumsbildung und Zertifizierung z.B. für solche Spezialdinge wie Neonatologie und Onkologie. Aber das ist meine persönliche Meinung.
Vieles ist nicht so gut: Für diese Zertifizierungen braucht es Manpower. Die wird von der Patientenversorgung abgezweigt. Heißt, Arzt A hat keine Zeit für Patientenversorgung, ARzt B und C müssen es alleine packen. Oder Arzt A macht es in seiner knappen Freizeit. Es gibt einen Haufen neuer Formulare. Hilfe… nicht alle sind sinnvoll. Es müssen laufend Daten erfasst werden. Die Software der KLiniken gibt das oft nicht her, dass es nebenbei läuft. Damit sind wir wieder beim Thema Manpower. Jetzt hat auch Arzt B etwas, womit er sich statt Patientenversorgung befassen kann, oder aber er machts im Urlaub oder der Freizeit. Qualifizierungen müssen erfolgen. Heißt, dass Arzt A, B und C zu Fortbildungen müssen. Die sie selbstverständlich bezahlen und ihren Urlaub dafür opfern (den Rest, der nicht für die Dateneingabe oder sowas draufgeht. Die Kliniken können nicht zahlen.) So eine Zertifizierung kostet im billigen Fall ein paar hundert Euro, in den teuren Fällen einige tausend, manchmal sogar so 10-15 tsd. habe ich mir sagen lassen. Aber über Geld reden die Kliniken ja nicht gerne.

Tja und während die Zertifizierungskommissionen durchs Land ziehen und gucken, ob Formular X die richtige Schriftart hat, alle Dienstanweisungen existieren, Zimmer groß genug sind, überall ein Fernseher ist, Datenbanken geführt werden und Ärzte einen weißen Kittel anhaben und nicht grün, blau oder sonstwas, da stehen eben diese Ärzte da und fragen sich, was die beste Zertifizierungskommission nützt und die beste Fachgesellschaft mit ihren Vorgaben, wenn in selbigen nicht drinne steht, dass zu einer Zertifizierung auch die Überprüfung der Arbeitsbedingungen des Personals gehört. Dazu zähle ich:
Personelle Besetzung der Bereiche (nicht nur aufm Papier)
Überstunden des Personals
Arbeitszeiten der Ärzte
Einhaltung der Gesetze wie Arbeitszeitgesetz, Tarifverträge (Erfassung der Arbeitszeiten, EInhaltung der Arbeitszeiten, wer hat opt out tatsächlich unterschrieben) und Arbeitsschutzvorschriften
Pausenzeiten
Pausenräume
Größe der Arztzimmer
Vorhandensein von Literatur, SOPs, Leitlinien,…
Ausbildungsstand (werden Rotationspläne eingehalten oder gibts überhaupt sowas?) und Ausbildungszeiten bis zum Facharzt

Das ist auch wichtig, wenn es um Behandlungsqualität von Patienten geht. Was nützen Formulare, Arztkittel und Datenbanken, wenn zu wenig Personal da ist – nachts nur eine Schwester – oder völlig überarbeitete Jungassistenten auf den Stationen stehen, die übermüdet sind, weil statt zulässiger 40-49% Arbeitsbelastung in den Diensten oftmals Vollarbeit geleistet wird und Überstunden die Regel sind und wenn es in Deutschland offenbar keinen Arbeitgeber interessiert, ob irgendwer überhaupt Optout unterschrieben hat, ja wenn nicht mal die Ämter für Arbeitsschutz, die brav die sorgsam angefertigten Dienstabrechnungen kontrollieren nicht mal schauen, ob derjenige der da was abrechnet überhaupt opt out hat,… ach was Rede ich, bei den Schwestern ist es doch genauso, da guckt doch auch keiner ob 4 Wochenenden nacheinander gearbeitet werden oder wie oft Mitarbeiter aus dem Frei oder Urlaub geholt werden…

Jedenfalls finde ich, dass jeder, der irgendwelche Zertifizierungsrichtlinien aufstellt, nach denen wir die Patienten besser versorgen sollen, auch auf diese Dinge achten muss, sonst kann man sich die ganze Zertifizierung schlicht weg schenken, weil trotzdem noch Chirurgen nach 26 Stunden Arbeit weiteroperieren müssen und die durchschnittliche Wochenarbeitszeit so um die 70 Stunden beträgt – welcher Patient will sich schon von solchen Ärzten behandeln lassen? Hauptsache, die Datenbank ist geführt und Formular X ausgefüllt und der Arztkittel ist bis zum vorletzten Knopf geschlossen… Neben z.b. der Schizophrenie kann man das Monster Zertifizierung auch zu den wahnhaften Störungen zählen…





Meine Forderungen an den Marburger Bund für die nächste Tarifrunde

28 02 2015

Lieber Marburger Bund,
Dieses Mal fühlte ich mich so richtig veralbert, als ich deine Veröffentlichungen zur Tarifrunde gehört hatte. Du hast leider nichts begriffen. Auch von dieser Gehaltserhöhung kann ich mir meine Gesundheit nicht kaufen. Hört ihr euch eigentlich mal selbst zu wenn ihr redet?! Mit jedem neuen Tarifvertrag verliert ihr für mich mehr an Glaubwürdigkeit. Dagegen gewinnt die Gruppe der Oberärzte immer fein an Gehalt und darf uns Assistenzärzte weiter mit Dienstplänen quälen, die anderswo als Verstoß gegen das Grundrecht der körperlichen Unversehrheit gewertet würden. Und niemand wird aufmucken, weil diese Gruppe uns ja noch die Zettel für die Weiterbildung unterschreiben muss, damit wir alle irgendwann Fachärzte sind. Wenn ihr eines Tages aufwacht und mal das Gefühl habt, ihr müsstet mal wieder was für die Basis tun, für die kleinen Arbeitsbienen in den Kliniken, die vielen namenlosen, bleichen, zu früh ergrauten Gestalten, die noch in 24 h Diensten oder bekloppten Schichtsystemen Patienten versorgen und den Kliniken die Gewinne erwirtschaften, weil sie keine Überstunden aufschrieb dürfen und man sich gern das Geld für Stellen spart und sie einfach monatelang, teils Jahre nicht besetzt, dann hab ich hier ein paar Vorschläge, was ihr für UNS !!!!, eure Beitragszahler, mal durchsetzen müsst.

1. Dienstplanung mit zwingender Beteiligung eines Arbeitsmediziners und bindendem Veto.
2. zeiterfassung zwingend, bei nichtumsetzung Strafzahlungen, Zugriffsrecht durch alle Ärzte auf die Zeiterfassung, um Schönschummeln fürs Amt für Arbeitsschutz zu verhindern. Jede Überstunde muss erfasst werden.
3. maximal 1 Wochenende Dienst pro Monat
4. jede Fortbildung, an der teilgenommen wird, muss als Arbeitszeit gewertet werden (wie bei der Pflege) und als solche in die Zeiterfassung eingehen, auch wenn sie nicht bezahlt wird
5. Fortbildungen, die von Kliniken gewünscht werden, um den normalen Klinikbetrieb zu sicherN (Ultraschall, Notarztkurs) müssen vom Träger bezahlt werden und eine Freistellung erfolgen, es kann nicht sein, dass der Arzt bezahlt und Urlaub nimmt, damit die Klinik ihren normalen Verpflichtungen nachkommen kann
6. angestrebte Weiterbildungen dürfen nicht blockiert werden durch die Klinik, weil sie evtl nicht gewollt sind, dem Arzt müssen Hospitationen, Kursteilnahmen etc ermöglicht werden und ihm darf nicht untersagt werden, sich darin fortzubilden
7. 5 Fortbildungstage im Jahr, denn 3 reichen nicht für 40 h Kurse wie Sono, Notarzt, Palliativmedizin etc.
8. Zusatzaufgaben wie Transfusionsbeauftragte, Hygieneverantwortliche, DRG-Verantwortlicher etc müssen mit einer zusätzlichen Vergütung honoriert werden, denn schließlich ist hierfür zusätzliche Ausbildung (kostet!) und mehr Arbeitsaufwand (Überstunden) notwendig und auch mehr Verantwortung für den betreffenden Arzt damit verbunden. Leistungsorientiertes Entgeld wird in keine Klinik umgesetzt.
9. Nebenabreden, nach denen Chefs eine Prämie für jede nicht besetzte Stelle bekommen, gehören verboten
10. Gerechtigkeit im Dienstplan, die Summe der Dienststunden im Jahr darf unter den Kollegen ohne vOrliegen von wichtigen Gründen (Schwangerschaft, Gesundheitlich, Alleinerziehende) nicht mehr als 20% voneinander abweichen. Tut es das doch, sind den betreffenden Vielarbeitern zusätzliche Erholungstage zu geben
11. Urlaubsplan ist am 1.12. fertig zu stellen mit Planungssicherheit für alle
12. Rotationspläne für die Facharztausbildung sind 2, besser 3 Jahre im Voraus zu planen
13. maximale Arbeitszeit pro Woche 60 h
14. festlegen von schlüsselzahlen in den Notaufnahmen und Kliniken bzgl Patienten pro Arzt, um die chronische Unterbesetzung abzustellen
15. „Werkzeuggeld“ – was für viele Handwerker normal ist – Ärzte bezahlen Stethoskop, Stimmgabel, Spiegel, Lampen, Reflexhämmer, Nachschlagewerke i.d.R. Selbst, weil die Kliniken es nicht stellen, aber man ohne nicht arbeiten kann.
15. Festlegen der Ausstattung für Dienstzimmer in konkreten Punkten (Bett, Bettzeug, Schreibtisch, PC, Kühlschrank, Mikrowelle, Kaffeemaschine, Nasszelle, Fernseher) – wer 24 h arbeitet und die Begrenzung der Inanspruchnahmezeit von 50% nie einhalten kann! hat ordentliche Bedingungen verdient.
16. kostenlose Parkplätze für alle Mitarbeiter, es ist dreist, Überstunden nicht zu bezahlen, aber fürs Parken Geld vom Gehalt abzuziehen – vom der Putzfrau bis zum Arzt
17. diensthandyfreie Zonen in der Kantine und so, Pausen müssen Pausen bleiben
18. Einrichtung von Kontrollmechanismen für Weiterbildungsbefugte – wer in 15 Jahren nur einen Arzt komplett zum Facharzt für XY ausbildet, der gehört mal gecheckt genauso wie jemand wo die Assistenten mehr als 7 Jahre brauchen, um ihre Zahlen zu bekommen

Wem noch was einfällt, steht die Kommentarfunktion zur Verfügung.





Irgendwo im Arztzimmer

30 10 2009

der andere: Scheißtag.

Assistenzarzt: Hmmm. Ich hab mir heute morgen als wir anfingen, vorgenommen, mich nicht zu ärgern.

der andere: Echt?

Assistenzarzt: Hmmm.

der andere: Und, wie lange hast durchgehalten?

Assistenzarzt: Bis um 7.50 Uhr.





Assistenzarzt hilft – Woran erkenne ich einen Chirurgen?

27 09 2009

Viele Menschen fragen sich, woran man eigentlich die verschiedenen Arzt-Unterarten unterscheiden kann. Am wichtigsten ist jedoch, wie man einen Chirurgen erkennen kann.

Das ist aus verschiedenen Gründen wichtig:

Für Internisten – weil man sich mental auf die Begegnung einstellen muss, um gleich den ersten Angriff zu parieren

Für andere Chirurgen – weil zwei so große Egos nicht im gleichen Raum Platz haben

Für Studenten – damit man sich in Sicherheit bringen kann, bevor der fragt ob man nen Augenblick Zeit hat (nie die Antwort ja geben, weil es dann gleich heißt dass in OP 3 noch jemand zum Hakenhalten gesucht wird)

Für Patienten – Chirurg ist übersetzt nichts anderes als ein Handwerker… dann doch lieber einen „richtigen“ Arzt 🙂

Für Frauen – Macho-Alarm

 

Woran erkennt man jetzt eigentlich den Chirurgen rechtzeitig = wenn er noch auf dem anderen Ende des Flures ist?

  • Er trägt Kittel, schließlich muss er sich von den Pflegern unterscheiden. Der Kittel ist in der Regel zugeknöpft, weil die Chirurgen die konservativsten unter den Ärzten sind und glauben, damit wenigstens erreichen zu können, dass sie von anderen für einen richtigen Arzt gehalten werden. Die Rebellen unter ihnen, quasi die Andre Agassis unter den Chirurgen, krempeln die Ärmel bis zu den Ellenbogen hoch. Naja, das tun die Metzger in der Fleischerei auch glaub ich. Aber das hat wohl nichts zu sagen. Manche trauen sich auch, im offenen Kittel rumzulaufen, aber da werden sie von den eigenen Leuten eher ausgelacht, weil das ja nur die ganzen anderen Fachrichtungen machen.
  • Unfallchirurgen und Orthopäden neigen dazu, Sportschuhe zu tragen, und zwar nicht irgendwelche sondern die neuesten 150 Euro – Hammertreter, was sich ein Normalsterblicher nicht mal leistet, außer er hat pubertierende Teenager zuhause…. wogegen die Allgemeinchirurgen eher Holzpantinen oder schicke weiße Lederschuhe anhaben.
  • er hat kurze Haare mit Gel gestylt.
  • Er poltert als seien alle anderen schwerhörig oder haben sich nach einem Ende der gerade eingekehrten Ruhe gesehnt.
  • in seiner Kitteltasche ragen mehrere zerknautschte Konsilscheine aus dem letzten Jahr heraus, die er immer noch nicht abgearbeitet hat
  • „unten drunter“ trägt er grün, weil er nicht die Zeit hatte, die Bereichskleidung in der OP-Schleuse von sich zu werfen und sowieso gleich wieder reinmuss (obwohl er sich dann neue anziehen muss)
  • die grüne Hose hängt auf halb acht in prä-Buggy-Pants-Stellung. Das viel zu kurze Oberteil (mit Zahlen und Kleidergrößen hatte er es nie so, das ist was für Statistiker) gibt den Blick frei auf den Oberrand einer grauen oder schwarzen CK-Unterhose. Naja, da er den Kittel drüber trägt, ist das nur was für geübte Augen, die wissen, wonach sie gucken müssen
  • sobald er den Mund aufmacht wird klar: ER ist hier wichtig, er kann alles und die anderen sind alle zu blöd, um ihren eigenen Namen zu schreiben. Sein Ego füllt den Raum mit einem Schlag. Da passt kein zweites rein. Er ist schließlich Chirurg.
  • sein Body ist gestählt, schließlich geht er mindestens zweimal die Woche ins Fitnessstudio, wo die süße Krankenschwester von der einen Station ab und an mal ist, nur hat er noch nicht  rausgekriegt, wann genau sie immer da ist, aber Zahlen sind wie gesagt was für Statistiker
  • Wenn ein Besucher auf dem Flur kollabiert, brüllt er erstmal ins Telefon, dass schnell ein Internist kommen soll.
  • Er guckt jeder neuen Schwester und jeder neuen Schülerin und Praktikantin lang und ausführlich hinterher. Es ist schließlich sein Revier und er ist das alpha-Männchen…

Ach, ich liiiiiiebe Chirurgen. Wenn es die nicht gäbe, über wen sollte ich mich dann mit meinen Internisten-Kolleginnen amüsieren?





Es schüttelt mich…

1 08 2009

…jedes Mal, wenn ich in der Klinik sehe, wie Babys und Kleinkinder als Besucher dabei sind und

  • auf dem Krankenhausflur oder dem Boden im Krankenzimmer rumkrabbeln und die Finger alle paar Sekunden in den Mund flutschen
  • entgegen den Hinweisen des Personals von den Eltern mit ins MRSA-Zimmer eingeschleust werden. Macht ja auch Spaß so mit 12 Monaten und dem Häubchen, Mundschutz und dem viel zu großen Kittel…
  • ins Krankenbett zu Oma oder Opa gelegt werden und die / der grad eine vermatschte Fußwunde hat oder frisch von einer Darm-OP zurück ist oder grau-braun-grünliches Zeug hustet oder Campylobacter auska… ausscheidet.
  • an den i.v.-Zugängen rumfummeln dürfen bei Oma / Opa und danach die Finger wieder Richtung Mund gehen… So’n wenig Gyrasehemmer wird schon nicht schaden und Oma / Opa hat bestimmt keine Hep B oder C, das hätten sie schon gesagt…

Wer denkt, wir könnten daran was ändern, der irrt. Das RKI hat dafür keine Richtlinien, das ist den Krankenhäusern überlassen. Die weisen über das Personal zwar auf die Gefahren hin, aber Eltern und Großeltern zur Vernunft zwingen, kann man auch als Arzt oder Krankenschwester nicht. Kaum dreht man sich um, sitzt Klein Leon Maddox Joel ja wieder im Bett und popelt an Opas Verband rum.

Was bin ich jedes Jahr 2 – 3 x erstaunt, wenn eine junge Mutti bei uns klopft und fragt, ob das geht, wenn sie ihr Baby mit ins Krankenzimmer nimmt oder ob das gefährlich ist. Ja, dafür nehme ich mir gerne ein paar Minuten Zeit, um Empfehlungen zu geben, wie der Krankenbesuch am günstigsten zu gestalten ist, ob gefährlich oder nicht fürs Kind und wo im Krankenhaus die beste Ecke ist und wenig andere Patienten, damit das Baby nicht so viel Kontakt zu Keimen hat. Denn es tut Oma und Opa gut, wenn der kleine Enkel mal mitgebracht wird und ich freue mich, wenn es den Müttern bewußt ist, dass das Baby / Kleinkind dafür eben nicht MRSA, VRE und anderen Zeitgenossen ausgesetzt sein sollte und auch nicht an versifften PAVK-Füßen oder einem Kolostoma rumspielen darf und auch nicht dem ausgehusteten Rotz des Nachbarpatienten ausgesetzt sein muss…

Und weil es mich gestern grad wieder schüttelte, musste ich heute nochmals kurz meine Blog-Sommerpause unterbrechen…