Herrenwitz und toxische Männlichkeit mit Doktortitel

8 03 2023

Natürlich ist mir klar, dass ich mit Beiträgen wie diesen bei vielen die Illusion vom TV-geprägten Bild des edlen Mannes im weißen Gewand in Zweifel ziehe. Aber dieses Bild existiert tatsächlich nur in den Fernsehserien. In jedem weißen, oder fast weißen, Arztkittel steckt ein Mensch, männlich, weiblich oder divers. Und der männliche Mensch ist auch nicht anders als Akademiker anderer Profession, egal ob Ingenieur, BWLer, Lehrer oder Handwerker, Musiker etc. Fragt man seine Kolleginnen. Ich persönlich habe in über zwei Jahrzehnten alle Arten von männlichen Kollegen kennengelernt: liebe und nette Familienmenschen, die man einfach nur mögen muss, völlig karriereorientierte Typen, die mit dem Job verheiratet waren und sich für nichts anderes interessierten, und leider auch genügend Kollegen, die sich aus diversen Gründen ihren Kolleginnen gegenüber nicht besonders nett verhielten.

Thema: Catcalling und vergleichbare Anmachen

Wer glaubt, dass Ärzte das nicht machen, vergesst es. Stellt Euch vor, ihr seid Famulantin und euer Stationsarzt ist total nett, verheiratet, 2 Kinder, und dann kommt irgendwann aus dem Nichts so ein Spruch wie „na wenn ich noch jünger wäre, würde ich dich auch nicht von der Bettkante stoßen.“ oder „bei deinem Arsch solltest du dich nicht so viel bücken, sonst kann ich mich nicht konzentrieren“ oder „hast du nen Freund?“. Seid ihr drin in der Visualisierung der Situation? Mitten in der Stationsvisite oder im Arztzimmer? Ja? Dann versetzt Euch jetzt mal in die Emotion der Studentin im 4. Studienjahr, Anfang 20, die das von ihrem Stationsarzt, der ihr die Famulatur bescheinigen soll und über ihre täglichen Aufgaben entscheidet, Ende 30 zu hören bekommt. Wie reagiert man darauf? Schlagfertig? Liegt nicht jedem. Schweigen? Ihn darauf hinweisen, dass das gerade etwas zu weit ging? Hoffen, dass eine Ärztin das gehört hat und den Kollegen mal nett drauf hinweist? Mit welchem Gefühl geht sie nach Hause? Mit welchem Gefühl geht sie den nächsten Tag wieder hin? Ich lasse es mal so offen stehen…

Thema Herrenwitze

Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen über Jahre mit einem Kollegen zu arbeiten, der ein schier unerschöpflichen Vorrat an Herrenwitzen hatte. Leider brachte er sie irgendwann in Dauerschleife. Je schlechter seine Ehe wurde, desto mehr gab es davon zu hören. Vielleicht lag Ursache und Wirkung auch genau andersherum, wer weiß. Den Gipfel der Geschmacklosigkeit erreichte er gemeinsam mit zwei Vorgesetzten in einer Visite. Ich vertrat als Quotenfrau das weibliche Geschlecht mit Approbation. Es war außerdem noch eine junge Famulantin dabei, die gerade angefangen hatte. Nach einem Zoten-Warm Up während der Visite erreichte man den Höhepunkt vor einem Zimmer. Die Tür zum Zimmer der nächsten Patientin stand offen. Auf dem Flur saß ein neuer Patient. Wir standen um den Visitenwagen. Die Patientin war neu. Sie hatte eine schwere TumorOP im Gyn-Bereich in der Vorgeschichte. Es fiel der Satz „Naja, wie alt ist sie? Ach, da braucht sie das eh nicht mehr.“ Mein Puls ging hoch, ich schwieg, man korrigiert seinen Chef nicht ohne weiteres. Die Famulantin schaute verunsichert. Antwort meines geübten Kollegen „Ach, Chef, Sie wissen doch, auf alten Schiffen lernt man das Segeln!“ Eine Herrenrunde schüttete sich aus vor lachen. Vor offener Zimmertür, die Patientin hörte alles, unter Missachtung des Datenschutzes, vor einem neuen Patienten, vor einer jungen Frau Anfang 20. Nach dem Warm Up mit diversen Zoten in der Visite platzte mir der Kragen und ich schlug mit der flachen Hand auf den Visitenwagen. Ich sagte, das geht zu weit, die Tür steht offen, das ist respektlos und hier sitzen Patienten auf dem Flur und wir haben eine Studentin dabei, sowas gehört in die Eckkneipe, aber nicht in eine Chefarztvisite. Ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass die Patientin so gedemütigt wurde und alles hören konnte und niemand würde etwas sagen. Alles was mein Vorgesetzter fragte war, ob ich Feministin bin. Ich fragte, was es damit zu tun hat, ich habe einfach nichts übrig für Geschmacklosigkeiten gegenüber Patienten. Seine Nachbesprechung dazu diente wohl mehr dazu, sich zu versichern, dass es auf Station bleibt und nicht im Haus erzählt wird, oder hatte er wirklich ein schlechtes Gewissen? Keine Ahnung. Sollte sich einer der betreffenden hier wiedererkennen… ich empfehle zu schweigen und sich jede weitere Peinlichkeit der Offenbarung zu ersparen.

Natürlich ist dies exemplarisch herausgegriffen. Jede von Euch, die in Bereichen arbeitet, wo mehr Männer als Frauen sind, wird das in dieser oder ähnlicher Form vielleicht erlebt haben. Bei einem Frauenüberschuss habe ich das tatsächlich so gut wie nie erlebt. Auch Blondinenwitze sind immer wieder gerne genommen, gerade gegenüber jungen Kolleginnen, wenn ihnen Missgeschicke unterlaufen. Klar, es klingt wie ein Scherz. Sicher, man kann es als solchen abtun. Aber wenn es immer wieder vorkommt, stellt sich die Frage, ob dem Kollegen schlicht das Repertoire zu klein geraten ist oder aber ob eine gewisse Gewohnheit oder auch ein Muster dahinter steckt.

Thema PDE-4-Hemmer-Muster

Und? Wer von euch hat es erlebt? Es kommt ein Vertreter auf Station, es gibt einen neuen PDE4-Hemmer, neue Abpackung, Dosierung oder was auch immer und es gibt ein Muster. Der Kollege nimmt sein Muster an sich. Und hält dann die Hand auf und kassiert euer Muster ein bzw. Bringt die herzerweichende Geschichte von einem Freund, der dringend Hilfe braucht. Ich habe es mal fertig gebracht, das Muster, für das ich unterschrieben habe, in mein Fach einzuschließen und für Patienten aufzuheben. Ich wurde dafür zuerst mit der netten Geschichte bearbeitet, dann aggressiv angemacht, ich sei doch in keiner Beziehung (wobei ich meinen Beziehungsstatus nie öffentlich diskutiert habe), dann wurde er laut, schließlich war er kurz vor dem Toben und beschimpfte mich als gierig und Zicke. Ich finde, auch ein Arzt kann zum Urologen gehen, wenn er Erektionsprobleme hat und hat nicht das Recht, die Herausgabe von Mustern zu erzwingen. Seine Ehe konnten die Dinger auch nicht retten oder vielleicht haben gerade sie zum Ende derselbigen geführt, keiner weiß es.

Thema Einschüchtern und Ausgrenzen

Körpersprache ist bei Männern und Frauen verschieden. Auch innerhalb der Männer als Gruppe ist jeder individuell zu sehen. Und doch gibt es Muster, die bestimmte Männer immer wieder abrufen. Und sie tun es nicht nur zuhause, um sich in der Ehe durchzusetzen oder sonstwo, nein, sie tun es auf Station. Wer sich mit Körpersprache beschäftigt, kann so einiges beobachten. Ich habe mehrere Jahre in einem männlich dominierten Umfeld arbeiten müssen, teilweise als einzige Ärztin. Nicht leicht. Die Visiten zeigten oft ein eindeutiges Bild, insbesondere, wenn Kollegen anderer Fachrichtungen dabei waren. Selbst als Fachärztin wurde ich von vielen als „Beiwerk“ oder Sekretärin betrachtet, die die Akten tragen durfte. Das hab ich mir ziemlich schnell abgewöhnt. Zwischen nett und hilfsbereit bis zu ausnutzen ist ein schmaler Grat. Vor den Zimmern bildeten die Männer regelmäßig von ganz allein einen Kreis zum diskutieren. Ich stand mit der Stationsschwester als Frauen außerhalb. Man bezog uns schlichtweg nicht in die fachliche Diskussion ein. Und nein, ich habe nicht in einem Land gearbeitet, wo die Frau 5 Schritte nach dem Mann gehen muss. Mitten in Deutschland. Und wenn Ihr morgen Visite geht, dann beobachtet mal… Ich empfehle euch das Studium entsprechender Bücher zur Körpersprache, die es zur Genüge gibt…
Einer der Oberärzte hatte es am Wochenende immer drauf, bei der Visite die Frauen als Aktenträger zu benutzen. Irgendwann knallte er mir mal eine Kurve direkt vor den Brustkorb. An meine Brüste. Es tat weh, weil er Schwung hatte. Er merkte es glaube ich nicht mal mehr. Original Satz „Hier schreiben!“
Was auch oft gemacht wird, um seinen Willen durchzusetzen ist, dass die männlichen Kollegen lauter werden, gerade Vorgesetzte können das gut. Muss das sein? Wenn’s vernünftig ist, wo ist da die Diskussion? Lauter soll aber einschüchtern, Dominanz zeigen. Manchmal erinnerte mich alles an unsere nächsten Verwandten im Regenwald von Zentralafrika… Und ich meine nicht Homo sapiens. Auch Dominanzgesten kommen immer gut, sich groß machen, breit machen. Das führt dazu, das unbewußt bei vermeintlich schwächeren ein Rückzug und Anerkennen der Dominanz desjenigen erfolgt, was wiederum die Aufteilung der Arbeiten und die gesamte Kommunikation miteinander beeinflusst. Bei Kolleginnen habe ich sowas nie beobachtet. Die Spitze solcher Dominanzspiele war für mich, dass ein Assistenzarzt kurz vor der Facharztprüfung, der seinen Willen nicht bekam, mich als Prellbock nutzen wollte, und mich im Stationszimmer anschrie. Es hat an der Entscheidung unseres Vorgesetzten nichts geändert, aber an unserem Verhältnis zueinander nachhaltig. Ich fühlte mich als Prellbock missbraucht und als Frau diskriminiert.
Zum Ausgrenzen gehört für mich auch, dass oft männliche Assistenzärzte bevorzugt werden, wenn es um Eingriffe geht, während Frauen die Stationsarbeit mit Aufnahmen und Briefen aufgehalst wird, am besten verbunden mit einem Satz wie „Du kannst das so gut.“ Ein Kompliment ist dann ein Kompliment, wenn ernst gemeint ist und nicht zum erreichen eines Zweckes wie Abwälzen von Arbeit benutzt wird, dann ist es Manipulation.
Erstaunlich finde ich, dass in vielen Bereichen zuerst an männliche Kollegen herangetreten wird, wenn es um die Vergabe von Vorträgen geht, mit denen ein zusätzlicher Verdienst verbunden ist. Anders sieht es aus mit internen Fortbildungen, für die man Zeit aufwenden muss, aber weder Anerkennung externer Kollegen oder finanzieller Gewinn steht.

Ich möchte Euch einen Anstoß geben, darüber nachzudenken, wie ihr in Eurem Bereich arbeitet. Denkt mal darüber nach, wenn ihr nach Hause geht und der Tag war ok, aber ihr fühlt euch irgendwie schlecht und wisst nicht warum oder wenn sich alles irgendwie ungerecht anfühlt – vielleicht ist es das ja? Stellt euch einfach mal die Frage, ob Chancengleichheit wirklich da ist. Ich habe sie mir oft gestellt, aber die Antwort, die fand ich nicht schön.





Die hölzernen Nüsse November 2021

20 11 2021

Herr Spahn mit seinem Zitat über langsam impfende Hausärzte (Frauenanteil deutlich über 50%) war dicht dran. Aber wie es manchmal im Leben so ist, kommt dann einer und schnappt dir die Trophäe vor der Nase weg…

https://www.zeit.de/news/2021-11/17/hausaerzte-empoert-ueber-laumanns-spruch-impfen-statt-golfen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de

Die hölzernen Nüsse im November 2021 gehen nach NRW, genauer an den Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) für das Zitat „Statt Golfplatz am Samstag Impfen am Samstag.“ Herzlichen Glückwunsch für soviel Boshaftigkeit und Diskriminierung. Lieber Herr Laumann, wie wäre es mit #einfachmalneschichtmachen in der Hausarztpraxis? Ich nehme an, es wird Ihnen als vielbeschäftigter Mann lächerlich vorkommen, wenn ich Ihnen sage, dass die meisten Hausärzte inzwischen 4 oder 5 lange Tage machen, heißt Vormittagssprechstunde plus Nachmittag für Sprechstunde oder Impfen. Dazu kommen Hausbesuche, Dienste, Behördenanfragen (braucht so 20-30 min bis Postfertig und man rechne so 3-4 Stück pro Woche), Telefonsprechstunde für Infektpatienten, die jämmerlich nicht funktionierende Telematik-Infrastruktur in Dauerwartung mit dem Rohrkrepierer KIM-Dienste. Naja, nehmen wir mal an, man hätte doch Zeit, dann geht leider momentan das ganze schöne viele Geld, mit dem wir Hausärzte reich werden und unseren Mitgliedsbeitrag im Golfclub und die Ausrüstung bezahlen könnten, für horrend gestiegene Materialkosten drauf. Eine Packung Handschuhe kostet 8-10 Euro im Einkauf. Wechselt man konsequent die Handschuhe nach jeder Spritze und Blutabnahme, reicht es für 50 Patienten, also für einen MItarbeiter 1-2 Tage je nach Arbeitsanfall. Selbst wenn wir da sparen würden, pulvern wir leider eine Menge in diesen Telematik-Quatsch, der keinem was bringt. Wir bezahlen doppelt so viel, wie die KVen Kostenerstattungen machen. Also tragen wir 50% der gesamten Umstellungskosten. Sie sehen, selbst wenn ich Golf spielen könnte und es mal gelernt hätte, ich wäre nicht in der Lage, den Eintritt in die Welt zu zahlen, in der Sie offenbar verkehren. Ich verbringe übrigens den Samstag entweder bei Fortbildungen (wegen der Coronapandemie, die Verantwortliche wie Sie leider immer noch nicht in Griff bekommen haben, meist derzeit nur online) oder beim Einkaufen und Haushalt machen. Letzteres schaffe ich leider nicht, wenn ich abends um 19.00 Uhr die Praxis verlassen habe. Da reicht die Zeit nur noch zum bloggen über Hölzerne Nüsse und so Kram. Impfen mache ich übrigens 4-5 Tage pro Woche in der Praxis. Ach ja “Ich spiele gar kein Golf“. Also mein Vorschlag für Sie: statt Golfplatz am Samstag mal Realität erleben am Donnerstag. Und falls Sie am Donnerstag keine Zeit haben, zu Ihren Hausarzt zum Impfen zu gehen, dann bin ich mir sicher, es findet sich jemand, der Sie und Ihre Freunde der gehobenen Gehaltsklasse auch in gewohnter Umgebung auf dem Golfplatz impft. Das Impfen in gewohnter Umgebung soll ja durchaus das Level der Stresshormone senken, gerade bei Menschen, die Angst vor Ärzten haben, selbst auf Golfplätzen….





„Die Ärzte…“

15 03 2016

„Das waren die Ärzte…“
„Das müssen Sie die Ärzte fragen…“
„Das sagen Ihnen die Ärzte…“
„Also ich kann Ihnen am Telefon nichts sagen, ich stelle Sie mal zu den Ärzten durch…“ – „Ja hier Dr. Arzt.“ […] „das tut mir leid, nach der deutschen Gesetzgebung ist es mir nicht gestattet, am Telefon Auskunft zu geben, ich dürfte Ihnen nicht mal sagen, dass Patient XY hier ist…“ – „aber die Schwester hat gesagt…“ Hmm… Jaja, so ist das.
„Die Ärzte haben schon wieder…“
„Die Ärzte brauchen heute aber wieder lange…“
„Die Ärzte nehmen sich immer vom Kaffee…“

Es sind immer „die Ärzte“. Irgendwann nervt es. Die Ärzte haben Namen, sind nicht alle gleich, machen nicht alle das gleiche und nicht die gleichen Dummheiten. Und… Ich sag ja auch nicht ständig „die Schwestern“, die haben schließlich Namen, sind verschieden, machen nicht alle das gleiche…





Politiker auf Schlafentzug

13 07 2015

Wieso heulen die denn da so rum?… frage ich mich gerade… Da verhandeln Politiker so etwas wichtiges wie Griechenland – Krise und so und sind 17h am Verhandeln, da jaulen die Ersten, dass die ja nicht mehr ganz bei Sinnen sein können wegen des Schlafentzugs.
Siehe GMX – Beitrag:
http://www.gmx.net/magazine/wirtschaft/griechenland-krise/einigung-griechendrama/wirkt-schlafentzug-entscheidungsfaehigkeit-eu-chefs-30763808

„Aber natürlich sind Politiker auf solche Situationen vorbereitet und haben ihre Berater im Hintergrund, die hoffentlich etwas ausgeschlafener sind. Aber im Endeffekt ist der Politiker, der nach 17 Stunden Verhandlungsmarathon seine Unterschrift unter einen Entschluss setzt, nicht mehr Herr seiner Sinne.“

„Die Beeinträchtigung nach 17 Stunden ohne Schlaf hat eine Wirkung vergleichbar mit einer halben Promille Alkohol im Blut. Und die Politiker sind ja zumeist schon vorher ein paar Stunden wach, also gleicht ihre Leistungsfähigkeit nach 24 schlaflosen Stunden der eines Menschen mit einer Promille Alkohol im Blut. Dazu kommt noch, dass Politiker sowieso chronisch unausgeschlafen sind und schon mit einem Schlafdefizit in die Verhandlungen gehen. Deshalb dürften sie auf einen solchen Verhandlungsmarathon besonders empfindlich reagieren.“
(Zitate stammen von Dr. Peter Spork, dem Autor des „Schlafbuchs“ und sind aus dem verlinkten Beitrag entnommen.)

Und wer bedauert uns und die armen Patienten, die wir nachts und morgens behandeln, wenn wir schon 24h wach sind und nach den zitierten Daten eine Entscheidungsfähigkeit und Leistungsniveau haben wie unter 1 Promille Alkohol??? Da darf keiner rumheulen, sonst wird man gleich mit dem Spruch „hab dich nicht so“ oder „Augen auf bei der Berufswahl“ angesülzt… Und wir haben keine Berater im Hintergrund. Wer jetzt sagt Oberdienst, dem sag ich, vergiss es… Griechenland ist eh im Eimer und völlig verkorkst… Unsere Patienten aber nicht, die leben und wollen gesund werden und haben wohl den Anspruch auf ausgeschlafene Ärzte mit null Promille äquivalent Leistungsniveau. Liebe Journalisten, jault mal lieber wegen unserer Patienten (und vielleicht auch wegen uns), aber nicht für ein paar Politiker, die einmal 24 h durchziehen, was wir 2-6, manchmal 8 x pro Monat machen müssen…





Motivatör

8 06 2015

Sind deine Assistenzärzte auch immer so nervig renitent? Mögen deine Weiterbildungsassistenten nicht mehr als 50 Stunden die Woche arbeiten? Murren sie jedes Mal, wenn sie 24 h am Stück ohne Schlaf arbeiten sollen? Sperren sie sich auch gegen den ständigen Druck der Fallzahlen? Reden sie ständig vom Marburger Bund und Arbeitszeitgesetzen oder Arbeitnehmerrechten? Dann ist der Fall ganz klar: Du brauchst unsere Hilfe.
Jetzt neu und nur bei IKEA: MOTIVATÖR – der neue Prügelstock für Ärzte in Leitungspositionen. Ab sofort für nur 10,99 in deinem IKEA. Und für alle IKEA-Family Mitglieder nur 8,99, aber nur diesen Monat.
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Probier‘ es aus und du wirst sehen, herrliche Ruhe in deiner Klinik und alle arbeiten, wie du es willst.
Wir tun mit unserem Produkt auch etwas für die Umwelt. MOTIVATÖR wird aus Recycling-Holz hergestellt, das von entsorgten Betten aus Arzt-Dienstzimmern stammt, denn dort werden die Betten nicht mehr gebraucht, weil die Ärzte seit einiger Zeit sowieso jede Nacht durcharbeiten müssen und nicht zum Schlafen kommen. Platzsparend und umweltfreundlich verpackt kommt unser MOTIVATÖR zu dir nach Hause oder in die Klinik. Wir schonen die Umwelt und nutzen nur Recycling-Papier aus alten Dienstplänen, denn der Dienstplan von heute ist morgen schon Altpapier.
MOTIVATÖR – Leitest du noch oder regierst du schon?

DISCLAIMER: Das ist Satire. Böse Satire, ich gebe es zu. Aber ziemlich dicht an der Wahrheit…
Ich möchte mich in aller Form bei meinem geliebten Möbelmarkt IKEA entschuldigen, dass ich sie für diese Satire benutzt habe. Ich werde auch weiterhin eure Umsätze beflügeln, wenn ich denn mal dazu komme, wieder Geld auszugeben statt nur zu arbeiten.





Rollenspiele

14 03 2015

Der Arzt in der Notaufnahme – quasi das Chamäleon im Arztkittel.

Arzt
Zuhörer
Seelentröster
Telefonist
Sekretärin
Stempelfreak
Logistiker
Teilzeitpsychologe
Umlagerungshelfer
Ausbilder
Kommunikationsexperte und Computerreparateur
Handwerker
Deeskalationsspezialist
Gesundheitswesenerklärer
Apothekensucher
Parkautomatenerklärer
Fremdsprachenübersetzer
Kollegenversteher
Prellbock und Blitzableiter
Glaskugelleser
Internetsuchmaschinenbenutzer
Pharmakologiekenner
Kaffeekocher
Inslabormitnehmer
Angehörigenhoffnunggeber
Reanimateur
Sauerstoffverteiler
Infusionshalter
Venenfinder
Den-letzten-Weg-Begleiter
Zum-werdenden-leben-gratulierer
Sich-an-seltene-Krankheiten-Erinnerer
Handschuhverschleißer
Kilometerläufer
Plattfußinhaber
Rettungssanitäterfan
Nureinmalamtagpinkler
Aufsessenverzichter
Alleingelassenwerdender
Vomanderenjobträumer
Krankenhaushassenlernender
Medikamentenzettelentzifferer
Hyroglyphenleser



Und Mensch. Mensch mit Gefühlen, Hoffnungen, Träumen, Wünschen, Familien, ethischen und moralischen Prinzipien.
Aber nicht die allwissende folgsame willenlose Maschine im energiesparenden Dauerbetrieb, die Klinikverwaltungen erwarten.





Fußprägung

27 09 2013

Neulich auf einer Veranstaltung saß sie ganz hinten. Es war schon kühl draußen, so 9 Grad. Zu kalt für September. Bibber. Sie hustete und rotzte. Ihre nicht mehr ganz jugendlichen Falten waren gut geschminkt. Das Blass der Erkältung geschickt übertönt. Sie hatte diese Sandalen an, die nur vorne quer rüber über den Spann hielten. Socken, nicht doch… das ist doch uncool. Man ist so jung, wie man sich fühlt. Kalte Füße, kalter Kopp. (Altes Sprichwort norddeutscher Ärzte) Als es leerer wurde, zog sie sich einen leeren Stuhl heran und packte ihre nicht mehr ganz jugendlichen nackten Füße, die den ganzen Tag ebenso nackt in den Sandalen unterwegs waren, auf die mit Stoff bespannte Sitzfläche. Es ging gerade um Hygiene, also vorne auf den Folien jedenfalls. Also wer von ihren Erkältungsbazillen noch nichts abbekommen hatte, hätte jetzt die Gelegenheit zu schauen, ob noch Fußpilz übrig ist, oder wenigstens ein paar Fussel, Sandkörner oder Hautschuppen mit echtem Fußflair. Perfekt drapiert auf der Sitzfläche. Ein bissl DNA von uns bleibt ja überall wo wir mal waren. Mein Sitznachbar schaut interessiert, wohin ich die ganze Zeit starre. Ich sehe ihn an. Er rümpft die Nase. Wir kennen uns nicht, aber die Wellenlänge scheint die gleiche.

Liebe Kollegin, falls sie glauben, sich erkannt zu haben, muss ich sie enttäuschen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig… und vielleicht trotzdem willkommen.





Die Angst vor den fliegenden Kaffeetassen

27 09 2013

Irgendwo in Deutschland. Ein Hotel mit Tagungssaal. Etwa 100 Ärzte auf einen Haufen. Draußen vor dem Saal gibts Kaffee, Latte irgendwas, Tee und so was. Die Pause ist zu Ende. Irgendwie gibts immer so ein paar Leute, die sich nicht von den Getränken trennen können und Kaffee mit in den Saal nehmen. Und dann gehts los. Weil sie zu spät kommen, müssen sie durch die Reihen durch, bis ans andere Ende. Dann haben sie eine Handtasche über der Schulter, in der einen Hand die Untertasse, auf der eine große volle Kaffeetasse steht und wackelt. Möglichst noch Kekse auf der Untertasse drauf. Und in der anderen Hand Schreibblock oder irgendwas anderes. Und dann gehts durch die Reihe durch. Über die dort Sitzenden hinweg wackelt diese Kaffeetasse. Es klappert gefährlich. Die Tasse wackelt. Die VOLLE Tasse. Ich spüre die Kollegin hinter mir. Nicht bewegen, Platz machen. Wenns daneben geht, saut sie mich voll ein, den Kopf, den Nacken, die Klamotten, meine Jacke… oder meine Nachbarn. Ich denke angstvoll an die Bierdusche, die unser aller Kanzlerin vor etwa einem Jahr bei einem Fest in MV abbekam von einem unqualifizierten Kellner. Gut, ich kann nicht Kanzler. Aber ich sitze gerade an der falschen Stelle. Nein. Tue ich nicht. Ich sitze richtig, aber die Kollegin sieht was falsch. Trinken draußen. Essen draußen. Lernen drinnen. Und zwar pünktlich und nicht so, dass alle gestört werden und jeder beängstigt nach oben schielt, und hofft, dass er keine Kaffeedusche kriegt.
Liebe Kollegen, die ihr das so gerne macht: Die meisten anderen Kollegen hassen das!

Genau wie die Momente, wo die halbvollen Kaffeetassen auf dem Boden stehen, und jemand aus Versehen dagegen kommt und sie umstößt. Weil entweder nicht gesehen oder vom Besitzer schnell mal vergessen. Und schon ergießt sich die Latte irgendwas auf den Fußboden, gegen die Jacke, Tasche, Schuhe, Hose des Nachbarn. Latte in den Socken ist doch viel besser als Sand in den Schuhen…
Nee, ich hasse das wirklich. Ich kann mich dann immer nicht konzentrieren, wenn ich weiß, dass hinter oder neben mir so eine fliegende Kaffeetasse unterwegs ist oder ein Gefäß mit Inhalt in wackeliger oder schnelltretender Position steht…





Ach Frau Doktor, ich nehme dann auch noch…

25 01 2013

„… das und das… ist rein pflanzlich. Wegen der Gesundheit, wissen’se. Man muss ja auch selbst was machen.“

Wenn ich den Satz höre, schwanke ich zwischen „oh bitte nicht“, „Geldschneiderei“ und „och mensch, hättst mal gefragt, was Sinn macht“. Nun ja, letzteres ist ja Ansichtssache. Manchmal möchte ich einfach diese Hersteller anbrüllen so laut ich kann, weil ich es so ungerecht finde, was da abgeht. Es wird was zusammengestellt, eine hübsche seriöse Verpackung gemacht, etwas ins Marketing investiert und dann die Lage der Patienten ausgenutzt. Wer schon irgendeine Krankheit hat, will gesund werden und tut meist alles dafür. Außer mit dem Rauchen aufhören 🙂 Wer jemanden kennt, den er mag und der ist krank, der will ihm was gutes tun. Wer irgendwann gesehen hat, wie schlecht es einem anderen ging, der will gar nicht erst krank werden. Und mit diesen Intentionen der Menschen, da kann man was machen.

Über das Thema könnte man Bücher schreiben… Das einzige Fazit kann nur lauten: Der einfachste Weg, Geld für die Gesundheit zu sparen ist, keine unnötigen Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Mixturen zu kaufen, und mit dem Rauchen aufzuhören.
Wer glaubt, dass alles was pflanzlich ist, harmlos ist, der ist einer großen Lüge aufgesessen. Medikamente werden oft auch aus Pflanzen entwickelt. Ein Medikament hat Wirkungen und Nebenwirkungen. Pflanzliche Präparate sind in der Regel nicht weniger wirkungsvoll. Es kommt nur auf die Dosis an. Und die wird von solchen Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln, gerne auch diätetisches Lebensmittel oder ähnlich tituliert, pro Pille gerne so klein gehalten, dass man nicht als Medikament läuft, also kein Medizinprodukt ist. Heißt, man muss keine Studie vorlegen, dass es wirkt. Man muss aber auch nicht gucken, wem man schaden könnte. Oder ob es Wechselwirkungen gibt mit anderen Sachen. Und man kann in jedem Laden verkaufen und ist nicht auf die Apotheken angewiesen. ABER (es ist immer ein Aber dabei) auf den Packungen steht die Empfehlung, wieviel man pro Tag nehmen soll und da kommt man manchmal schon in den Bereich, die man bei „echten“ Medikamenten erreicht. Man muss auch damit rechnen, dass viele etwas mehr nehmen, damits besser hilft oder schneller. Das passiert glaub ich bei vom Arzt verschriebenen Sachen selten, denn das ist ja Chemie und zuviel Chemie ist ja nicht gut für den Körper (einfach mal auf die Inhaltsstoffe schauen… zum Pillen bauen werden die gleichen Hilfsstoffe genommen – Chemie ist auch Chemie, wenn sie aus der Drogerie kommt!). Die Werbung ist oft sehr … zweideutig. Sie arbeitet mit viel Psychologie. Nüchtern betrachtet, sagt man eigentlich nix, aber das was ein Mensch im Laden dort reininterpretiert, ist oftmals was ganz anderes.

Was bleibt objektiv vom schönen Schein der Gesunderhaltung mittels diverser Pillen… man forscht jetzt. Ab und an wird mal was publiziert.
Hier mal ein paar Beispiele (Liste ist natürlich sehr kurz und nicht vollständig)

Cava cava
Als ich studierte, da gabs Todesfälle und Notfall-Lebertransplantationen, weil Leute Cava cava Produkte gekauft haben. Eine Klinik publizierte ihren Fall, plötzlich meldeten sich noch mehrere und ein paar Monate später gabs das Verbot. Und ich bin mir sicher, es hat so einigen das Leben gerettet.

Johanniskraut
Inzwischen weiß man, dass auch in den frei verkäuflichen Dosierungen Interaktionen mit Herzmedikamenten möglich sind.

Vitamin E
Überraschenderweise tendiert die aktuelle Studienlage dazu, dass zuviel Vitamin E schadet und nicht mehr schützt.

Vitamin C
Ist für mich das einzige, was relativ ungefährlich erscheint, besser ist aber, es natürlich zu nehmen – in Früchten. Pillen haben wieder Hilfsstoffe, aber ansonsten scheidet man ein zuviel an Vitamin C aus.

Vitamin D
hier läuft die spannendste Forschung. Abschließende Beurteilung derzeit noch nicht möglich. Eigentlich ist es ja schon ein Hormon. Aber egal, es ist in 20% der Stoffwechselvorgänge beteiligt. Überdosierungen sind möglich, allerdings hat man die notwendige Tagesdosis in der letzten Zeit deutlch nach oben korrigiert. Was man in der Medizin nicht mehr macht: es mit Calcium kombinieren, denn das macht vermehrt Arteriosklerose, zu deutsch: man verkalkt schneller. Geht man in den Laden, wird man es eigentlich nur in Kombination kriegen. Da ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen.

Magnesium
Das zweite, was ich als brauchbar ansehe. Hilft gegen Wadenkrämpfe und bei Muskelverspannungen als Unterstützung, aber ist kein Allheilmittel. Und zuviel nimmt kaum einer, weils dann nen flotten Otto gibt.

Tja, ich war heute im Laden und stand plötzlich vor diesem Regal mit den ganzen Pillen. Es war länger als das für Babywindeln oder Shampoo. Am krassesten fand ich, dass ein Hersteller außen draufdruckte, was da alles gutes drin sein soll. Zum Beispiel Curcumaextrakt. Hätte man gesagt E100 (Kurkumin), wäre das attraktiv? In der Liste die so gelb unterlegt auf die Packung gedruckt war, stand unter allem was toll sein sollte auch Chrom. Soweit ich gelernt habe, nehmen wir als Menschen genug davon auf mit normaler Ernährung. Soviel brauchen wir auch nicht davon. Bei den Inhaltsstoffen fand ich das dann an letzter Stelle… bei den Hilfsstoffen. Wird ja eigentlich bei Pillen auch als Hilfs- und Farbstoff eingesetzt. Aber was für ein Marketing, einen Hilfsstoff als was gutes erscheinen zu lassen, oder hab ich mich getäuscht in meiner Wahrnehmung? Ihr dürft gerne ergänzen… die Liste dürfte so dick werden wie das Telefonbuch.

Wer sich wirklich so etwas aus dem Laden holt:
1. guckt bei seriösen Portalen wie Warentest oder Ökotest nach, was die sagen, die gucken bei Tests auch nach Sinnhaftigkeit von KOmbinationen.
2. seid euch bewußt, dass es nichts anderes ist als Babywindeln oder Shampoo – ein Produkt, das ein Hersteller verkauft, weil er damit sein Geld verdient.
3. seht auf die Zusatzstoffe, bunte Pillen sind bunt, weil Farbstoffe drin sind, manche sind in anderen Ländern nicht zugelassen. Und Brausetabletten haben oft Sachen wie Sorbitol drin oder ähnliches. Das vertragen viele nicht, vom Darm her, das kann durchhauen.
4. Wenn ihr schon Tabletten nehmt, dann fragt euren Arzt! Und nehmt die Packung mit, denn der Name nützt nichts, wenn man den Inhalt nicht kennt.
5. Denkt dran: Wer ein Medikament rausbringt, muss jetzt Studien nachweisen, wer ein diätetisches Lebensmittel oder wie auch immer rausbringt, braucht das nicht.
6. Homöopathie und „was pflanzliches“ ist nicht das gleiche. Homoöpathie tötet in der Regel keine Patienten.
7. Einer der Grundsätze der Pharmakologie: Ein Medikament, das keine Nebenwirkungen haben soll, steht in großem Verdacht, auch keine Hauptwirkung zu machen.

PS: Wer hier kommentiert zum Thema, beachte bitte: Werbung fliegt raus, alles was unseriös wirkt, sortier ich auch raus. Links zu Firmen bitte auch nicht, Links zu Publikationen gerne. Und bitte nicht verbal aufeinander einprügeln





Assistenzarzt fragt – Teil 23

31 10 2010

Heute:

Mit welcher Wette könnte sich ein Arzt bei „Wetten dass..??“ bewerben?

Und welcher Arzt wäre bereit, das zu tun? (Assistenzarzt jedenfalls nicht, viiiiiiel zu feige…)

Hat sich schon jemand (Arzt, Krankenschwester/pfleger/Retter etc.) bei „Wetten dass..??“ beworben bzw. teilgenommen und wenn ja, mit welcher Wette?